Preßgewerbe. 139
Strafgesetze, sei es wegen Vernachlässigung der pflichtgemäßen Sorgfalt, schuldig er-
kannt wurde. Die Entziehung darf in der Regel nur für die Dauer eines Jahres,
dann aber für immer ausgesprochen werden, wenn gegen den betreffenden Gewerbs-
mann zeitliche Entziehung schon einmal verhängt wurde. Administrative Entziehung
(durch die Gewerbebehörde) kann dann eintreten, wenn der Gewerbetreibende wegen
eines Deliktes verurtheilt wurde, das ihn von dem Antritte des Gewerbes aus-
geschlossen hätte, und wenn nach der Beschaffenheit des Gewerbes und der Natur
der begangenen strafbaren Handlung unter den gegebenen Umständen von dem Fort-
betriebe des Gewerbes Mißbrauch zu besorgen ist. In diesem Falle kann die
Entziehung sowol für bestimmte Zeit als auch für immer ausgesprochen werden,
jedoch nur innerhalb dreier Monate, vom Eintritte der Rechtskraft des die Ent-
ziehung bedingenden Erkenntnisses an gerechnet.
5. Das Plakat. Das Anschlagen, Anheften von Druckschriften an öffent-
lichen Orten fällt unter den Begriff der öffentlichen Verbreitung (vgl. oben), und
kann wie diese gewerbsmäßig oder nicht gewerbsmäßig betrieben werden. Im ersten
Falle findet § 43 der Gew.O., im zweiten § 5 des Preßges. auch auf die Plakati-
rung Anwendung; in beiden bedarf der Plakatirende einer ihm persönlich zu er-
theilenden ortspolizeilichen Erlaubniß, die nur aus bestimmten Gründen verweigert
werden darf. Auch das politische Plakat unterscheidet sich nur durch Inhalt
und Zweck, nicht aber durch die Art, in welcher die Verbreitung, das Zugänglich-
machen an das Publikum erfolgt, von den übrigen Plakaten, fällt also zunächst
unter die erwähnten gesetzlichen Bestimmungen. Aber gerade wegen des politischen
Plakates ist das Plakatwesen überhaupt vor dem Inslebentreten der Reichspreßgesetz-
gebung vielfach Gegenstand eingehender landesrechtlicher Regelung gewesen. Mit je
größerem Mißtrauen die Gesetzgebung die öffentliche Aeußerung von politischen An-
schauungen überhaupt betrachtet, um so schärfer wird sie auch das politische Plakat
zu überwachen trachten. Eben darum wich der Rechtszustand im Norden Deutsch-
lands weit ab von dem in Süddeutschland. Im Allgemeinen lassen sich vier Gruppen
von Gesetzgebungen unterscheiden. a) Die erste verbietet das politische Plakat. So
das Preußische Preßges. von 1851 § 9, nach welchem Anschlagzettel und Plakate,
welche einen andern Inhalt haben, als Ankündigungen über gesetzlich nicht ver-
botene Versammlungen, über öffentliche Vergnügungen, über gestohlene, verlorene
oder gefundene Sachen, über Verkäufe oder andere Nachrichten für den gewerblichen
Verkehr, nicht angeschlagen, angeheftet oder in sonstiger Weise öffentlich ausgestellt
werden dürfen. b) Eine zweite Gruppe (Baden, Weimar, Lübeck u. A.) unterwirft
das Anschlagwesen keinerlei Ausnahmsbestimmungen. c) Nach der Sächsischen Gesetz-
gebung ist, soweit es sich um Plakate lediglich gewerblichen Inhaltes handelt, vor-
hergehende Ablieferung des Pflichtexemplares erforderlich, aber auch genügend.
d) Bayern u. a. verlangen auf dem Plakate außer der Nennung des Duuckers oder
Verlegers auch die Angabe des Verfassers.
Der Gegensatz der Anschauungen trat auch bei der Berathung des Preßges.
zu Tage. Die Regierungsvorlage hatte die strengen Bestimmungen des Preuß.
Rechtes ausgenommen und das politische Plakat unbedingt verboten. Die Reichs-
tagskommission verwarf diese Anordnungen, und ersetzte sie durch das Sachsische
System. Ihre Anträge siegten bei der zweiten Lesung im Plenum, scheiterten aber
an dem Widerspruche der Regierungen. Da eine Einigung nicht zu erzielen war,
entschloß man sich von der reichsgesetzlichen Regelung der Materie abzusehen. So
entstand der 2. Abs. in § 30 der RHPreßges.: Das Recht der Landesgesetz-
gebung, Vorschriften über das öffentliche Anschlagen, Anheften, Ausstellen, sowie
die öffentliche unentgeltliche Vertheilung von Bekanntmachungen, Plakaten und Auf-
rufen zu erlassen, wird durch dieses Gesetz nicht berührt.
Die Gew.O. von 1869, welche lediglich die persönliche Berechtigung zum An-
schlagen regelte, hatte an diesem Recht der Landesgesetzgebung nichts geändert; eine