Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

144 Preßpolizel. 
werden, wie solche gegen die Berichtigungspflicht, behandelt und bestraft (Preßges. 
§ 19; vgl. unten Nr. 4). — 
Im Wesentlichen übereinstimmend Oesterr. Preßges. 88 20 ff. 
4) Die Berichtigungspflicht (Entgegnungsrecht) beruht auf dem 
Gedanken, daß Jeder, den eine in einer periodischen Druckschrift gebrachte Nachricht 
berührt, zum Worte kommen, an derselben Stelle und vor demselben Publikum, an 
welcher und vor welchem über ihn gesprochen worden, gehört werden soll. Die 
Leser des Blattes sollen urtheilen, nachdem beide Theile gesprochen haben. Das 
Entgegnungsrecht (Preßges. § 11; Oesterr. Preßges. § 19) besteht nur der perio- 
dischen Presse gegenüber, es bezieht sich auf die in derselben mitgetheilten That- 
sachen (nicht auf Urtheile, Kritiken u. dgl.), setzt aber keinen Angriff auf den 
Entgegnenden voraus. Das Entgegnungsrecht steht allen Betheiligten, sei es 
Behörden, Korporationen, sei es Einzelindividuen zu, d. h. allen denjenigen, welche 
ein Interesse daran haben, gehört zu werden. Es entfällt, wenn die Berichtigung 
nicht von dem Anzeiger unterzeichnet ist, wenn sie strafbaren Inhalt hat, oder sich 
nicht auf jene thatsächlichen Angaben beschränkt, welche den Anlaß der Berichtigung 
bilden. Der verantwortliche Redakteur hat die ihm, sei es mündlich, sei es 
schriftlich, zur Aufnahme mitgetheilte Berichtigung, in seinem Blatte zu veröffent- 
lichen, und zwar ohne Einschaltungen und Weglassungen, denn der 
Entgegnende soll vollständig und ohne unterbrochen zu werden, zum Worte kommen; 
in demselben Theile der Druckschrift, in welchem der zu berichtigende Artikel 
erschienen war, und mit derselben Schrift, denn gleiches Gehör soll beiden Theilen 
gewährt werden; und in der nach Empfang der Einsendung nächstfolgenden Nummer, 
sofern diese nicht bereits für den Druck abgeschlossen ist; denn soll die Entgegnung 
Wirkung haben, so muß sie sofort erfolgen. Aus dem Wesen des Entgegnungerechtes 
ergiebt sich ferner, daß — entgegen einer weit verbreiteten Ansicht — die Be- 
richtigung nur in derselben Sprache Anspruch auf Veröffentlichung machen kann, 
in welcher der zu berichtigende Artikel erschienen war. Die Aufnahme erfolgt 
kostenfrei, soweit die Entgegnung den (einfachen) Raum der zu berichtigenden 
Mittheilung nicht überschreitet; für die über dieses Maß hinausgehenden Zeilen 
sind die üblichen Einrückungsgebühren zu entrichten. Diese Beschränkung der kosten- 
freien Aufnahme genügt dem praktischen Bedürfnisse nicht; Bayern, Preußen ließen das 
einfache Maß des Artikels entscheiden, in welchem die Mittheilung enthalten war; 
Frankreich, Italien, Belgien (Sachsen) geben den doppelten Raum des zu be- 
richtigenden Artikels frei. Durch die Aufnahme wird die Verantwortlichkeit des 
Redakteurs für den Inhalt weder des berichtigten, noch des berichtigenden Artikels 
berührt. — Genügt der Redakteur der Berichtigungspflicht nicht — mag es sich 
um Verweigerung oder Unterlassung der Aufnahme oder um einen dem Gesetze nicht 
entsprechenden Abdruck der Entgegnung handeln — so tritt das gerichtliche Be- 
richtigungsverfahren ein. Die Behörde greift alsfo nicht sofort (wie nach dem 
Badischen System von 1868 oder dem älteren Oesterr. Rechte von 1862—1868), 
sondern erst dann ein, wenn eine Uebertretung des Gesetzes stattgefunden hat. Die 
Verfolgung findet nur auf Antrag des Verletzten statt (Preßges. § 19), das Gericht 
hat zunächst die Existenz des Entgegnungsrechtes und die Verletzung der Berichtigungs- 
pflicht festzustellen, dann über das Verschulden des Redakteurs zu urtheilen. Das 
Resultat des Verfahrens kann demnach sein: a. Gänzliche Abweisung des Klägers; 
b. Anordnung der Aufnahme ohne Bestrafung des Redakteurs, wenn die an sich un- 
berechtigte Verweigerung in gutem Glauben geschehen oder die Bestrafung aus an- 
deren Gründen (Tod, Begnadigung, Verjährung) ausgeschlossen ist; c. Verurtheilung 
des Redakteurs (Geldstrafe bis zu 150 Mark oder Haft) mit gleichzeitiger Anordnung 
der Aufnahme, bei Existenz des Entgegnungsrechtes und mala fides des Redakteurs; 
d. Bestrafung des Redakteurs ohne Anordnung der Aufnahme, wenn der Abdruck 
zu spät, im Uebrigen aber dem Gesetze entsprechend erfolgte. — Beharrt der Re-
	        
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