Preßpolizei. 145
dakteur auch der richterlichen Anordnung der Aufnahme gegenüber auf seiner Weige-
rung, so kann er abermals zur Verantwortung gezogen und bestraft werden; ein
direkter oder indirekter Zwang zur Aufnahme findet nach Deutschem Recht nicht statt.
Dagegen hat nach Oesterr. Preßges. § 21 das Gericht gleichzeitig mit der Anordnung
der Aufnahme die Einstellung der Druckschrift bis zur Erfüllung der Verpflichtung
zu verfügen.
5) Das Verbot der ferneren Verbreitung kann — von den viel
weiterreichenden Bestimmungen des Sozialistengesetzes abgesehen — nur gegenüber
ausländischen periodischen Duuckschriften ausgesprochen werden (Preßgef.
§ 14). Die Verletzung des Gastrechtes soll mit Entziehung desselben beantwortet
werden. Ausspruch und Aufhebung des Verbotes ist in die Hand des Reichs-
kanzlers gelegt. Der Ausspruch ist an die Voraussetzung geknüpft, daß zwei-
mal binnen Jahresfrist gegen die betreffende Druckschrift eine Verurtheilung
nach §§ 41 u. 42 des Straf GB. (also wegen ihres strafbaren Inhalts) erfolgte;
die Zulässigkeit entfällt, wenn das Verbot nicht innerhalb zweier Monate nach Ein-
tritt der Rechtskraft des letzten Erkenntnisses ausgesprochen ist. Die Bedeutung
dieser Maßregel und zugleich das Bedenkliche derselben liegt darin, daß sie gegen
die künftig erscheinenden Nummern der Druckschrift gerichtet ist, nicht die That,
sondern die Tendenz ins Auge faßt. Mit der Bekanntmachung des Verbotes wird
der von demselben betroffenen Druckschrift zugleich der Postdebit entzogen, d. h.
die Post darf keine Bestellungen auf dieselbe annehmen, die einzelnen Nummern
nicht mehr befördern oder ausfolgen. Uebertretung des Verbotes, d. h. also Ver-
breitung derselben auf irgend eine Art, wird (Preßges. § 18) mit Geldstrafe bis zu
1000 Mark oder mit Haft oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten geahndet;
doch ist Kenntniß des Verbotes erforderlich (anderer Ansicht Berner). — Auf
einem anderen Standpunkte steht die Oesterr. Gesetzgebung. Nachdem schon durch
das Preßgesetz von 1862 das administrative Verbot beseitigt worden war, fiel
1868 auch das richterliche Verbot, sei es inländischer, sei es ausländischer perio-
discher Druckschriften, hinweg, soweit es nicht bereits erschienene, sondern erst künftig
erscheinende Nummern treffen soll. Wol aber kann nach Oesterr. Recht die Ent-
ziehung des Postdebits selbständig und nach freiem Ermessen des Ministeriums
des Innern, aber nur gegen ausländische periodische, wie nichtperiodische Druck-
schriften ausgesprochen werden (Preßges. § 26). Die nothwendige, aber auch einzige
Folge der Entziehung des Postdebits ist der gänzliche Ausschluß der betreffenden
Druckschrift von der Beförderung durch die Post. Es handelt sich einerseits also
um mehr als um den an die Postämter gerichteten Auftrag, keine Bestellungen auf
die betreffende Druckschrift mehr anzunehmen; andererseits liegt aber in der Entziehung
des Postdebits keineswegs das Verbot der Verbreitung, vielmehr kann die Druckschrift
nach wie vor auf jedem anderen Wege, als auf dem der Post bezogen und versendet
werden. Nur soweit der Postzwang reicht — und nach den Oesterr. Postgesetzen
von 1837 und 1850 umfaßt er alle periodischen Schriften, sie mögen durch Hand-
schrift oder Abdruck dargestellt oder vervielfältigt sein —, schließt die Entziehung des
Postdebits das Verbot jeder Art der Beförderung in sich.
6) Die nichtrichterliche Beschlagnahme von Druckschriften wäre
schon nach der RStrasP O. (88§ 94 ff.) bei Gefahr im Verzuge zulässig, soweit die-
selben für die Untersuchung von Bedeutung sein können oder der Einziehung unter-
liegen. Aehnliche Anordnungen enthielten die meisten Deutschen Partikular-StrafP O.
In der Literatur, und bei der Berathung des MPreßgesetzes wurde dies vielfach über-
sehen, wurde nicht nur die sog. „polizeiliche“, sondern jede der Urtheilsfällung voran-
gehende (also auch die richterliche) „vorläufige“ Beschlagnahme als eine Ausnahms-
bestimmung zu Ungunsten der Presse bekämpft. Von anderer Seite verlangte man
die Beseitigung der vorläufigen Beschlagnahme geradezu als ein Privilegium der
Presse, da man den Gedanken nicht tödten dürfe rc., während wieder Andere
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon III. 3. Aufl. 10