Preßstrafrecht. 151
II. Das P. stellt besondere Regeln auf, nach welchen sich die Verantwortlich-
keit für begangene Preßdelikte nach Umfang und Inhalt (wer ist verantwortlich;
welche Strafe trifft ihn?) bestimmt. Ueber diese Regeln herrscht noch ebensowenig
Gemeinsamkeit der Ansichten, wie über den Begriff des Preßdeliktes. — Die Be—
stimmungen der auswärtigen Rechte sind in dem Art. Preßgesetzgebung erwähnt.
Es handelt sich dabei, da die Strafbarkeit des Verfassers und des Herausgebers
(soweit dieser dem Verfasser gleichsteht; vgl. d. Art. Herausgeber) nicht zweifel-
haft sein kann, im Wesentlichen um folgende Fragen:
1) Die Strafbarkeit des Redakteurs. Frankreich, Italien, Deutschland be-
trachten ihn als dolosen Thäter.
2) Die Strafbarkeit des Druckers, Verlegers, Verbreiters. Hier
finden wir die verschiedensten Systeme.
a. Die Genannten werden als dolose Thäter gestraft,
u#. wenn sie den Vormann nicht kennen, so Frankreich, Belgien;
G. wenn sie überhaupt fahrlässig gehandelt haben, so England.
b. Sie werden wegen Fahrlässigkeit gestraft, wenn sie den Vormann nicht
nennen oder sonst die pflichtgemäße Sorgfalt nicht aufgewendet haben; so Oesterreich,
Deutschland.
Die Kritik dieser Systeme fällt nicht schwer. Das unter 1) wird im Art.
Redakteur besprochen. Das System unter 2) a. a.# ist als das „Belgische"
System, das System der ausschließlichen und successiven Haftung, der responsabilité
par cascades vielfach, wenn auch mit theilweise bedeutenden Modifikationen, in den
Deutschen Partikularstaaten und anderwärts nachgeahmt worden. Es arbeitet sicher
und leicht; kann sich aber vor dem Vorwurfe nicht retten, daß es ein — höchstens —
fahrlässiges Verhalten gewaltsam zu einem dolosen Thun stempelt. Der gleiche Ein-
wand erhebt sich gegen die Englische Libellgesetzgebung von 1843. Bleibt das unter
2) b. angeführte System der Fahrlässigkeitsstrafen; vielgepriesen, scheinbar ebenso
mild, wie gerecht, verdankt es der herrschenden Unklarheit über den Begriff des
fahrlässigen Deliktes zum großen Theil seine weite Verbreitung. Man hat verkannt,
daß die preßrechtliche Fahrlässigkeit keine andere ist, als die des allgemeinen Straf-
rechtes; daß man also, indem man dieses System adoptirt, Drucker, Verleger, Ver-
breiter wegen fahrlässiger Herbeiführung des in der Druckschrift enthaltenen Preß-
deliktes, also wegen fahrlässiger Aufforderung zum Hochverrath, fahrlässiger Beleidigung,
fahrlässiger Gotteslästerung r2c. bestraft (den Nachweis bei v. Liszt, Lehrb. d. Oesterr.
Preß R. und MPreß R.). Nun läßt sich nicht leugnen, daß fahrlässige Begehung dieser
Delikte wol denkbar und juristisch konstruirbar ist; aber welcher Bruch mit dem
ganzen Systeme unserer Strafgesetzgebung in der Ausstellung solcher Deliktsbegriffe
liegt, bedarf keines Nachweies.
Eine Ergänzung der Grundsätze des allgemeinen Strafrechtes ist aber unbedingt
nothwendig und zwar darum, weil Redakteur, Drucker, Verleger nicht als Gehülfen,
der Verbreiter nicht als Thäter, gestraft werden können, so lange unser positives
Recht vorsätzliches Handeln verlangt; denn der Nachweis, daß sie mit dem Bewußt-
sein von der Kaufalität ihres Thuns gehandelt haben, ist in den seltensten Fällen
zu erbringen. Es bleibt nur ein Ausweg, den die Resetzgebung in den 8§ 41,
42 des StrafS B. und §§ 477 ff. der StrafP O. theilweise eingeschlagen hat: die
objektiv-selbständige Existenz der Druckschrift anzuerkennen und demgemäß in die
Objektivirung des Verfahrens bei Preßdelikten das Schwergewicht der Re-
pression zu verlegen. (Im Prinzipe übereinstimmend Glaser, Wahlberg,
Merkel, v. Liszt; bei Letzterem Detailvorschläge.) Das objektive Verfahren ist
noch einer bedeutenden Erweiterung fähig; als Konsequenz derselben müßte der
Wegfall aller anderen Ergänzungen der allgemeinen strafrechtlichen Grundsätze ge-
fordert werden. —