Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Prisengerichte. 165 
Völkerrecht eine derartige Ausdehnung amtlicher Funktionen zu, noch wäre die 
Duldung derselben mit neutraler Haltung vereinbar. 
Das prisengerichtliche Verfahren richtet sich überall zunächst nach den 
Verordnungen des Einzelstaates, pflegt aber überall sehr summarisch zu sein. Die 
Instruktion erfolgt regelmäßig unmittelbar nach Ankunft des Kaptors durch die 
Hafenbehörden mittels Entgegennahme der bei der Kaptur aufgenommenen Protokolle, 
der Schiffspapiere und Schlüssel, der Inventur des Schiffes und der Ladung, Ver- 
hörung des Schiffers und der Mannschaft. Demnächst geht, falls nicht etwa die 
Illegalität der Prise aus der Instruktion sich als zweifellos ergiebt, die Sache an 
das P., welches, sofern dieselbe spruchreif ist, sofort erkennt. Wird indeß innerhalb 
der für Reklamationen gesetzten Frist die Legalität der Prise von deren Eigenthümer 
oder einem Interessenten angefochten, so beginnt vor dem P. ein Reklameverfahren. 
Dieses trägt im Allgemeinen civilprozessualische Formen, wobei die Rolle des Klägers 
bald dem Priseneigenthümer, bald dem Kaptor zugewiesen wird, ist indeß regelmäßig 
dem Reklamanten sehr ungünstig. Denn nach einer allgemein festgehaltenen Rechts- 
ansicht der Seemächte steht dem Kaptor die Präsumtion rechtmäßiger Kaptur zur 
Seite; Reklamant hat daher die Widerrechtlichkeit der Nehmung, also z. B. den neu- 
tralen Charakter der Ladung oder des Schiffes, das legale Verhalten desselben zu 
beweisen. Dabei sind die Beweiemittel vielfach beschränkt anf die bei der Nehmung 
vorgefundenen Dokumente und farther prook ist ausgeschlossen. 
Durch das Prisenurtheil wird das genommene Gut entweder sei es ganz, 
sei es theilweise kondemnirt, d. h. für gute Prise erklärt, oder freigegeben, demnächst 
entweder an den Reklamanten oder an den Kaptor ausgeliefert, resp. zum Verkaufe 
gestellt. Die Kosten des Verfahrens fallen dem Kaptor im Falle offenbar wider- 
rechtlicher Nehmung zur Last, wie er dann auch dem Verletzten vollen Schadensersatz 
zu leisten hat. Dagegen hat sie nach verbreiteter Praxis der Neutrale selbst dann 
zu tragen, wenn die Aufbringung der hinterdrein freigegebenen Prise doch durch 
Verdachtsgründe gerechtfertigt war (probable cause of capture), wie er auch in 
diesem Falle keinen Anspruch auf Entschädigung hat. 
Gegen das Prisenurtheil steht es jeder von beiden Parteien zu, binnen bestimmter 
Berufungsfrist an die dafür eingesetzte Instanz zu appelliren. Doch pflegt die 
Appellation keinen Suspensiveffekt zu haben, so daß das Urtheil der ersten Instanz 
gegen Kautionsleistung für den Fall der Nichtbestätigung exequibel ist. 
Urtheilen, die von kompetenten P. überhaupt anerkannter Mächte gefällt werden, 
weigern weder die kriegführenden, noch neutrale Staaten die Anerkennung. Demnach 
wird der in Folge der Kondemnation geschehene Verkauf als rechtsgültig betrachtet. 
Demnach haben Neutrale keinen Anspruch auf Rückgabe ihres von der einen Kriegs- 
partei als Prise kondemnirten Gutes im Falle der Wiedernahme (s. diesen 
Art.) seitens des andern. Indeß wird immer der Staat, in dessen Namen die Prise 
adjudizirt ist, für ein völkerrechtswidriges Urtheil verantwortlich sein. Er setzt sich 
dieserhalb Reklamationen, Repressalien, jedenfalls der Retorsion aus und kann even- 
tuell im Wege des völkerrechtlichen Streitverfahrens zu Genugthuung und Schadens- 
ersatz angehalten werden. Ein berühmtes Beispiel hierfür ist Friedrich's des Großen 
Streit mit der Englischen Regierung 1752—1756 (vgl. Abh. d. Berl. Akad. 1866 
. 29). 
p — Gute Zusammenstellung giebt Bulmerincq in der Revue de droit inter- 
national X. (1878). — Großbritannien: Verzeichniß der Gesetze und Instruktionen bei 
M. Pöhls, H. R., III. 4, 1067. — Geh. Rathsordre vom 29. März 1854. — Prisenakten 
von 1855 und 1864. — An Autorität einer Rechtsquelle gleich ist das Schreiben von Sir 
W. Scott und Sir IJ. Nicholl an Mr. Jay vom 10. Sept. 1794, bei Phillimore 
(sec. ed.) 3, 666. — Sammlungen von Prisenurtheilen sind sehr zahlreich. Es verdienen Er- 
wähnung die von Robinson, 6 Vols. Lond. 1801—1808 mit den Fortsehungen von Ed- 
wards und von Dodson; sodann von Marriot, Lond. 1801, und Stewart, Lond. 
1814. — Frankreich: Ordonnance de la marine von 1681 und Valin's Kommentar. — 
Prisenreglements vom 26. Juli. 1778 (Hauptgesetz). — Arrsté vom 6. Germinal VIII; 2. Prä-
	        
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