Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

198 Prostitution. 
Außer Deutschland besteht gegenwärtig nur in Oesterreich ein Verbot der 
Bordelle, welches indeß nicht deren blühendes Fortbestehen, z. B. in Pest und in 
Prag, hindert, während in Wien an ihrer Stelle die Privat-P. bekanntlich zur 
höchsten Entwickelung gelangt ist. In allen übrigen Ländern Europa's sind die 
Bordelle polizeilich geduldet und mehr oder weniger beaufsichtigt, sei es von Staats- 
oder von Gemeindewegen. **„ 
Am einheitlichsten ist das P.wesen in Italien geregelt, wo die Staats- 
regierung vermittelst einer besonderen unter dem Minister des Innern fungirenden 
Centralaufsichtsbehörde diesen Dienstzweig direkt leitet. In jeder Provinzial- 
hauptstadt befindet sich eine Inspektion und in jeder Bezirkshauptstadt ein 
Sanitätsamt mit der ausschließlichen Aufgabe, die P. zu überwachen. An der 
Spitze jedes solchen Sanitätsamtes steht ein ärztlicher Beamter, welcher zugleich 
Dirigent des Hospitals oder der Hospitalabtheilung für Syphilitische ist und unter 
welchem die erforderliche Anzahl von Aerzten zur regelmäßigen Untersuchung der 
Dirnen, sowie von polizeilichen Hülfsbeamten fungirt. 
In Frankreich, wo schon Ludwig der Heilige nach einem vergeblichen 
Versuche strengster Unterdrückung eine geregelte Duldung und Beausfsichtigung ab- 
gesonderter Bordelle einführte, wurde im Jahre 1791 das Prinzip der persönlichen 
Freiheit und der Unverletzlichkeit der Wohnung auch auf die sexuellen Lebensbeziehungen 
angewandt und alle bis dahin besonders seit Ludwig XIV. bestandenen Einrichtungen 
der Sittenpolizei abgeschafft. Die Folge war das Einreißen jener zügellosen öffent- 
lichen Frechheit, welche man aus den Zeitbildern des Direktoriums kennt, und gegen 
welche man sich erst im Jahre 1799 nach Einrichtung der Polizeipräfektur zu ener- 
gischer Repression aus bloßer polizeilicher Machtvollkommenheit entschloß, nachdem 
wiederholte Versuche einer gesetzlichen Regelung, theils an prinzipiellen Freiheits- 
bedenken, theils an der Scheu vor öffentlicher legislativer Behandlung eines so in- 
dezenten Gegenstandes gescheitert waren. Seit jener Zeit ist Alles, was in Frank- 
reich zur Regelung des P. wesens geschehen ist, nur auf dem Wege polizeilichen Be- 
liebens und gleichsam im Namen der sittlichen und sanitären Nothwendigkeit ge- 
schehen, ohne formelle gesetzliche Grundlage; es hat daher auch nicht gefehlt an 
Berufungen gegen diese Maßregeln der Polizei an die Gerichte; und wenn solche 
Berufungen von letzteren stets im gebieterischen Interesse der öffentlichen Sittlichkeit 
und Gesundheit ablehnend beschieden zu werden pflegen, so wird doch der zuweilen 
lähmende Einfluß eines Mangels gesetzlicher Autorisation von den Französischen Be- 
richterstattern anerkannt. Schon im Jahre 1818 äußerte sich der Pariser Polizei- 
präfekt in einer besonderen Denkschrift an die Regierung folgendermaßen: „Früher 
oder später müssen entweder die Grundsätze der persönlichen Freiheit vollständig 
siegen, und das Gewerbe der Lustdirnen, geschirmt von allgemeinen Grundsätzen, 
ein ebenso freies sein, wie jedes andere, oder die Gesetzgebung muß einen 
Unterschied, eine Ausnahme machen und sie der Aufsicht von Behörden übertragen, 
welchen die Pflicht obliegt, die guten Sitten, die Ordnung, die Menschen zu beauf- 
sichtigen, welche durch ihre Lage, ihre verworfenen Gesinnungen, in stetem Kampfe 
mit der Religion und Sittlichkeit, der guten Ordnung und den Anforderungen der 
guten Gesellschaft liegen“. Bei diesem Mangel gesetzlicher Bestimmungen und bei 
der in Frankreich bestehenden Uebertragung dieses polizeilichen Aufsichtszweiges an 
die Kommunen ist es nicht zu verwundern, daß Art und Maß von Beauf- 
sichtigung in den verschiedenen Theilen des Landes äußerst verschieden ausfallen, und 
daß, im Gegensatze zu der sorgfältigen Handhabung des Dienstes in Paris, man über 
große Vernachlässigung und daraus entspringende öffentliche Uebelstände in manchen 
Provinzialstädten Klage führt. 
Im Gegensatze zu den Ländern romanischer Bevölkerung zeichnet sich England 
und der größere Theil der Nordamerikanischen Vereinsstaaten durch eine 
grundsätzliche Passivität in dieser Angelegenheit aus. Bis zum Jahre 1864 bestand
	        
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