Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

232 Prüfungswesen. 
zu erstrecken. Bis zum 1. Januar 1882 sind jedoch die Minister des Innern und 
der Finanzen befugt, auch solche Referendare, welche den Nachweis des erforderlichen 
staatswissenschaftlichen Studiums nicht zu führen vermögen, zum Vorbereitungsdienste 
zuzulassen. Die erste Prüfung ist die erste juristische nach Maßgabe des Gesetzes 
vom 6. Mai 1869, die sich jedoch nach einer neuen Anordnung mehr als bisher 
auf die staatswissenschaftlichen Fächer erstrecken soll. Der ersten Prüfung folgt ein 
zweijähriger Vorbereitungsdienst bei den Gerichten, die Ernennung zum Regierungs- 
referendar durch denjenigen Regierungspräsidenten, in dessen Bezirk der Betreffende 
beschäftigt werden will, und ein zweijähriger Vorbereitungsdienst bei der Verwaltung, 
der in der Beschäftigung bei einer Regierung, einem Bezirksverwaltungsgerichte und 
einem Landrathsamte bestehen muß, außerdem in der Beschäftigung bei dem Magistrate 
einer Stadtgemeinde bestehen kann. Die Ablegung der zweiten (großen) Staats- 
prüfung erfolgt bei der Prüfungskommission für höhere Verwaltungsbeamte, und ist 
sowol eine schriftliche, als eine mündliche; die schriftliche besteht in zwei Arbeiten 
aus den Gebieten des Staats= und Verwaltungsrechts, resp. der Volks= und Staats- 
wirthschaftslehre, deren jede binnen 6 Wochen abzuliefern ist. Die mündliche er- 
streckt sich auf das in Preußen geltende öffentliche und Privatrecht, insbesondere auf 
Verfassungs= und Verwaltungsrecht, auf die Volkswirthschafts= und Finanzpolitik. 
Diese Bestimmungen gelten nun aber blos für die Stellen der Abtheilungsdirigenten 
und Mitglieder bei einer Regierung und der den Oberpräsidenten oder Regierungs- 
präsidenten zugeordneten Verwaltungsbeamten, sowie diejenigen Mitglieder des Ober- 
verwaltungsgerichts und der Bezirksverwaltungsgerichte, welche die Befähigung zu 
den höheren Verwaltungsämtern besitzen müssen. Mithin bedarf es für die Stellen 
der Oberpräsidenten und Regierungspräsidenten einer besonderen Qualifikation über- 
haupt nicht. Die Bestellung zum Justitiarius setzt die erlangte Befähigung zum 
höheren Justizdienste voraus; die Besetzung der Stellen der technischen Beamten, 
insbesondere der Forst-, Schul-, Bau= und Medizinal-Räthe, richtet sich nach den 
für die einzelnen technischen Zweige geltenden Bestimmungen; zur Bekleidung der 
Stelle eines Mitgliedes der Provinzialsteuerdirektionen ist die Befähigung zum höheren 
Verwaltungs= oder Justizdienst, sowie eine praktische Vorbereitung in der Steuerverwal- 
tung erforderlich. Die Minister der Finanzen und des Innern sind übrigens er- 
mächtigt, einerseits solche Personen zur Ablegung der zweiten Prüfung für den höheren 
Verwaltungsdienst zuzulassen, welche die erste juristische Prüfung abgelegt und als 
Landraths-, Kreis= und Amtshauptmänner, Oberamtmänner in den Hohenzollern'schen 
Landen, Amtmänner in der Provinz Hessen-Nassau, Hardes= und Kirchspielvögte in 
der Provinz Schleswig-Holstein, städtische Bürgermeister, Beigeordnete oder Magistrats- 
mitglieder mindestens einen fünfjährigen Zeitraum hindurch fungirt haben, und bereits 
zur Zeit der Verkündigung des Gesetzes als solche angestellt gewesen sind, sowie 
andererseits solche Personen für befähigt zum höheren Verwaltungedienste zu erklären, 
welche die Befähigung zum höheren Justizdienste erlangt haben, und mindestens drei 
Jahre entweder als Justitiarien beschäftigt gewesen sind oder die Stelle eines Land- 
raths 2c. verwaltet haben. 
Was insbesondere die Besetzung der Stellen der Landräthe, der Kreis= und 
Amtshauptmänner und der Oberamtmänner in den Hohenzollernschen Landen, sowie 
die für diese Stellen erforderliche Befähigung betrifft, so hatte der § 16 des Gesetzes 
vom 11. März 1879 zur Regelung dieser Materie ein besonderes Gesetz in Aussicht 
gestellt, in der Weise, daß zwar bis zum Erlaß desselben die bestehenden Bestimmungen 
in Kraft bleiben, daß aber nach dem 1. Januar 1884, wenn bis dahin das Gesetz 
nicht erlassen sein sollte, zu diesen Stellen nur solche Personen berufen werden können, 
welche die Befähigung entweder für den höheren Verwaltungsdienst oder für den 
höheren Justizdienst erlangt haben, ohne daß jedoch gleichzeitig die besonderen Vor- 
schriften über die Besetzung dieser Stellen, insbesondere die in einzelnen Landes- 
theilen stattfindende Mitwirkung der Kreistage außer Kraft treten würde. (Eine voll-
	        
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