242 Quarantäneanstalten.
Inzwischen haben die Regierungen die Verantwortlichkeit für die Unterdrückung der
Quarantänen nicht zu übernehmen vermocht, man hat sich aber bemüht, durch zweck-
mäßige Einrichtungen den Verkehrsstörungen thunlichst vorzubeugen. Die Gesetz-
gebung hat sich in den Seestaaten mehrfach mit der Regelung des Quarantänewesens
beschäftigt, namentlich in Frankreich (vergl. das Ges. vom 3. März 1822 und das
Dekret vom 26. Febr. 1876 sur la police sanitaire maritime, Bull. des lois, XII.
Ser. Nr. 299). Die letztgedachte Macht hat sich auch um eine internationale Behand-
lung der Sache bemüht. Im Jahre 1850 vereinigte sie in Paris eine Konferenz von
Vertretern der bei dem Verkehr im Mittelmeer hauptsächlich betheiligten Mächte, deren
Ergebniß die Einigung über ein internationales Réglement sanitaire war. Der
betreffende Vertrag vom 3. Februar 1852 — welcher aber nicht von allen theil-
nehmenden Mächten ratifizirt ist — bestimmt, daß allgemeine gesundheitspolizeiliche
Maßregeln nur gegen die orientalische Pest, das gelbe Fieber und die Cholera ein-
treten sollen und daß alle Schiffe, mit Ausnahme der zum Zoll= und Wachtdienst
bestimmten Fahrzeuge, sich mit einem Gesundheitspasse (s. d. Art.) zu ver-
sehen haben. Jedes Schiff, welches mit unreinem Gesundheitspaß anlangt, muß
Quarantäne halten. — Die Erkenntniß, daß zum Schutz gegen Einschleppung von
Seuchen eine dauernde sanitätspolizeiliche Ueberwachung der Ursprungsländer wichtig
sei, hat zur Einsetzung internationaler Sanitätsbehörden, namentlich in Konstantinopel
und Alexandrien, geführt. — Nach weiteren Versuchen internationaler Regelung,
welche im Jahre 1866 auf Anregung Frankreichs in Konstantinopel stattgefunden,
aber zu einem Vertrage nicht geführt hatten, hat Oesterreich im Jahre 1873 eine
auch vom Deutschen Reiche beschickte Konferenz in Wien veranlaßt, welcher die Auf-
gabe gestellt wurde, die den Fortschritten der Wissenschaft und den gesammelten Er-
fahrungen entsprechend einzurichtenden OQuarantänemaßregeln und die Einsetzung einer
Seuchenkommission für das Studium der Epidemien an den Stätten ihrer Existenz
herbeizuführen. Indessen sind die Arbeiten der Konferenz in Folge des Russisch-
türkischen Kriegs ins Stocken gerathen, und es bleibt abzuwarten, ob und mit welchem
Erfolge sie wieder ausgenommen werden. Im März 1880 erwiederte der Oesterr.
Ministerpräsident auf eine Interpellation, daß dem Inslebentreten einer inter-
nationalen Sanitätskommission noch Schwierigkeiten entgegenständen, da bei einzelnen
Regierungen verschiedenartige Auffassungen über den Werth einer solchen Kommission
herrschten. Die Gesetzgebung des Deutschen Reichs ist mit allgemeinen Quarantäne-
maßregeln. bisher nicht befaßt gewesen. Bei der im Anfang des Jahres 1879 an-
scheinend von Rußland her drohenden Pestgefahr ist durch eine Kaiserl. Verordnung
vom 29. Januar 1879 (RN.G. Bl. S. 3, 125, 158) die Einfuhr gewisser Gegenstände
(gebrauchter Wäsche, Kleider und sonstiger Träger des Ansteckungsstoffes) aus Ruß-
land über die Reichsgrenze verboten, die Einfuhr von Schafwolle nur nach vor-
gängiger Desinfektion gestattet, auch durch Kaiserl. Verordnung vom 2. Februar
(R.G.Bl. S. 9, 155) der Reisendenverkehr aus Rußland gewissen Beschränkungen
unterworfen worden. Es wurde ferner im Verein mit Oesterreich und anderen
europäischen Staaten eine Kommission von Sachverständigen in die durch die Epidemie
heimgesuchten und bedrohten Theile Rußlands entsendet. Weitere Maßregeln wurden
durch das Erlöschen der Seuche in Rußland unnöthig. Das Preußische mittels
Ausf. Ordn. vom 8. August 1835 (Ges. S. S. 240, dazu die Allerh. Ordre vom
29. August 1853) publizirte Regulativ über das bei ansteckenden Krankheiten zu be-
obachtende Verfahren enthält eine Reihe von Bestimmungen bezüglich der Cholera,
Typhus und anderer ansteckenden Krankheiten. Danach werden z. B. die über See
aus Orten, wo die Cholera herrscht, eingehenden Schiffe einer viertägigen Beobachtungs-
quarantäne unterworfen. Hat sich während dieser Observation kein bedenklicher Er-
krankungsfall ergeben, so wird das betr. Schiff zur freien Praktik (zum freien Verkehr)
in den Hafen zugelassen. Hat aber das Schiff Cholerakranke an Bord, so werden
dieselben von dem Schiffe entfernt und letzteres wird nach Anleitung der Desinfektions-