Ratifikation. 257
Vorbehalt der R. in der Vollmacht, — welche dann mit dem Versprechen der
Ratifizirung der Punkte, in Bezug auf welche die Bevollmächtigten übereingekommen
sind, schließt (Mart., Guid. dipl., II. 240 ff.; Vollmachten der Art ebendas. und
bei Miruß, Europ. Gesandtschaftsrecht, II. 168), — wendet Wurm (179) ein,
daß man sich dadurch vorbehalte, „sowol zu ratifiziren, als nicht zu ratifiziren,
weshalb der Vorbehalt müssig sei“, indeß wird, ohne daß eine R. in Aussicht ge-
stellt ist, schwerlich eine Verhandlung begonnen werden. In Bezug auf die Ver-
bindlichkeit der Staatsgewalt zur R. ist die Vollmacht schon an sich wesentlich, ein
Beglaubigungsschreiben genügt nicht. Grot (II. XI. 8#§ XII.; III. XXII. § IV. 1),
Pufendorf (D. jur. nat. et gent., III. IX. § II.) und Bynkershoek (I. c.)
verpflichteten die Staatsgewalt, die abgeschlossenen Vereinbarungen, die beiden ersteren
schon auf Grund einer Generalvollmacht, Bynkershoek nur auf Grund einer
Spezialvollmacht, selbst dann zu ratifiziren, wenn der Bevollmächtigte seinen ge-
heimen Instruktionen zuwidergehandelt hat. Hat aber der Bevollmächtigte sein
Mandat überschritten oder ihm nicht kommittirte Dinge in den Vertrag aufgenommen,
so kann der Vollmachtgeber die R. aussetzen oder verweigern (Bynkershoek).
Martens (I. c.) hält, ohne Unterscheidung der Arten der Vollmacht, Verein-
barungen wider die geheimen Instruktionen nur nach natürlichem Völkerrecht für
verbindlich, nach positivem aber nicht. Letztere Ansicht vertritt auch Wheaton
(I. 234). Nachweis der Ueberschreitung der Instruktion im Einzelnen oder starke
und gute Gründe zur Weigerung der R. verlangt Vattel (II. XII. § 156).
Als Weigerungsgründe, welche indeß erst nach Abschluß des Vertrags eingetreten
sein dürfen, führt Wheaton ferner an (I. 237);: die physische oder moralische
Unmöglichkeit der Vertragserfüllung, Irrthum der Parteien in Bezug auf That-
sachen und Veränderung der die Kraft des Vertrages bedingenden Umstände; aus
dem ersten und dritten Grunde könnten sogar ratifizirte Verträge für ungültig er-
klärt werden. Wurm (186) erinnert außerdem (er faßt den zweiten Grund
allgemeiner: als „mangelnde Willensfreiheit der Kontrahenten") für verfassungs-
mäßige Staaten an die nichterfolgende Zustimmung der Kammern. Heffter (8 87)
hält moralisch (7) die Weigerung für unstatthaft, wenn der Vertrag der vor-
gezeigten Vollmacht entspricht, und bei grundloser Weigerung eine Entschädigungs-
forderung für begründet. Berner (635) will zwar die R. nur aus wichtigen und
besonders anzuführenden Gründen verweigert wissen, wobei er die von Wheaton
und Wurm angeführten anerkennt, geht aber offenbar zu weit, wenn er die Ver-
weigerung auch dadurch motivirt, daß der Vertrag zum Unheil des Staates ab-
geschlossen sei, indem das Urtheil darüber doch lediglich in das subjektive Ermessen
der Kontrahenten gestellt bleibt; zu allgemein ist auch der von Twiß (I. c.) an-
geführte Weigerungsgrund, daß den Kontrahenten nachtheilige Umstände nach der
Unterschrift des Vertrags eingetreten seien. Wir erachten, daß kein Staat einem
von seinem Bevollmächtigten materiell und formell gültig abgeschlossenen Vertrage
(s. b. Heffter, §§ 83—86 und 87 die wesentlichen Bedingungen und die Form
der Verträge) seine Genehmigung versagen darf, lediglich mit Anerkennung der
indeß nur in den engsten Grenzen anzuwendenden Klausel rebus sic stantibus, und
daß die geheimen Instruktionen, welche nur für das Rechtsverhältniß zwischen
Vollmachtgeber und Bevollmächtigten maßgebend sein können und dem anderen
Kontrahenten unbekannt bleiben, für die R. gar nicht in Betracht kommen. Hat
ein Theil seine R. erklärt, so ist der andere zur R. seinerseits rechtlich nicht ge-
zwungen (Klüber, l. c.; Heffter, § 87; Berner, 635). Einen ohne Auf-
trag und Vollmacht in seinem Namen abgeschlossenen Vertrag, eine bloße sponsio,
braucht der Staat nicht zu ratifiziren (Grot, II. XV. § XVI.), eine solche sponsio
ist ohne nachfolgende R. einfach ungültig (Martens, Völkerrecht, 1. c.; Klüber,
Grot, III. XXVII. § 3, und Wheaton, I. 229 sausdrückliche oder still-
#chrrigente K.]; Heffter, §§ 84 und 87). Nur Grot (I. c.) halt den Staat für
v. Holtzendorff, Enec. II. Rechtslexikon III. 3. Aufl.