Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Rechtskraft. 285 
Hinsicht das Umgekehrte zweckmäßig gefunden; so z. B. wird nach der Deutschen 
StrafP O., da wo eine gerichtliche Voruntersuchung stattfindet, auf möglichst rasche 
endgültige Austragung der Frage der örtlichen Zuständigkeit (§§ 17 und 18) 
hingewirkt. Im Laufe des Strafverfahrens ergehen hinwieder Entscheidungen, welche 
Zwischenfälle des Strafverfahrens endgültig abthun, z. B. Strafe wegen Ungebühr, 
Ausbleiben von Zeugen u. dgl. Solche Entscheidungen sind eigentlich Endurtheile 
über geringfügige Sachen. Bei dieser Mannigfaltigkeit der Beziehungen muß daher 
von einer eingehenden Besprechung der R. der im Laufe des Strafverfahrens ergehenden 
Verfügungen hier abgesehen und das Folgende auf die R. des Endurtheiles 
(welchem allerdings dem Wesen nach alle richterlichen Entscheidungen gleichstehen, 
die das Strafverfahren beenden und zu welchen auch die im § 172 der Deutschen 
StrasP O. erwähnte Zurückweisung des Antrages eines Privaten auf Einleitung der 
Untersuchung gehört) beschränkt werden. « 
R., Unanfechtbarkeit und Vollstreckbarkeit sind Begriffe, die sich gegenseitig auf 
das Nächste berühren aber doch auseinandergehalten werden müssen, namentlich muß 
nicht unbedingt das rechtskräftige Urtheil auch vollstreckbar oder das vollstreckbare 
rechtskräftig sein. Es ist denkbar, daß z. B. ein Urtheil letzter Instanz erst nach 
der Verkündung oder Zustellung rechtskräftig wird (wenngleich die Deutsche wie 
die Oesterreichische Straf#tO. die Frage nicht in diesem Sinne entscheiden); aber 
ohne Weiteres ist anzunehmen, daß es erst nach derselben vollstreckbar wird (anderer 
Meinung: Löwe bei § 481 der StrasP O.); jedenfalls können der Vollstreckbarkeit 
andere Hindernisse als der Mangel der R. (z. B. Krankheit, Schwangerschaft, Vor- 
behalt des Ausspruches über die Nachsicht der Todesstrafe) entgegenstehen. Umgekehrt 
ist es denkbar, daß das Urtheil zwar noch nicht rechtskräftig, aber vollstreckbar ist. 
Zwar spricht § 481 der Deutschen StrafP O. das Gegentheil aus; dagegen kann 
nach der Oesterr. StrafP O. der Angeklagte, welcher nur Berufung, nicht auch Nich- 
tigkeitsbeschwerde eingelegt hat und erstere nicht gegen die Strafart, sondern nur gegen 
das Strafmaß richtet, erklären, daß er die Strafe einstweilen antrete (§ 294). — 
Jedenfalls aber stehen R. und Rechtsmittelsystem in engster Wechselwirkung: das 
Urtheil ist rechtskräftig, sobald kein Rechtsmittel gegen dasselbe mehr offen 
steht. Ein Rechtsmittel steht nicht mehr offen, wenn alle zulässigen Rechtsmittel 
erschöpft sind, also in letzter Instanz erkannt ist, oder wenn alle zur Ergreifung von 
Rechtsmitteln berufenen Personen auf dieselben verzichtet haben, oder wenn für alle 
die Frist, innerhalb welcher sie ein Rechtsmittel ergreifen konnten, unbenutzt verstrichen 
ist. Da nun zur Ergreifung der Rechtsmittel fast immer mehrere Personen berechtigt 
sind und jede wieder in der Lage sein kann, nur gewisse Theile des Urtheils an- 
zufechten, so ergeben sich die Begriffe der partiellen und der relativen R.; 
erstere tritt für jene Theile des Urtheils ein, welche durch die gegen andere Theile 
gerichteten Rechtsmittel nicht berührt werden; letztere tritt zum Nachtheil derjenigen 
Partei ein, welche unterlassen hat, die ihr ungünstige Entscheidung durch Rechtsmittel 
anzufechten. Eine logische Folgerung der relativen R. ist das Verbot der refor- 
matio in peius. (s. diesen Art.), der Aenderung zum Nachtheil desjenigen, der 
ein Rechtsmittel eingelegt hat, soweit die aus dem Urtheil der Rechtsmittelinstanz 
sich ergebende Verschlimmerung seiner Lage lediglich durch das von ihm eingelegte 
Rechtsmittel herbeigeführt wurde. Zu Gunsten des Angeklagten wird indeß die 
Strenge des Grundsatzes der relativen R. mehrfach gemildert. Jedes Rechtsmittel, 
welches die Aufhebung des Urtheils nur zum Zweck der Erneuerung des Verfahrens 
bewirkt, kann, auch wenn es lediglich zum Nachtheil des Angeklagten eingelegt 
wurde, die vom Angeklagten gar nicht angefochtenen, ihm ungünstigen Bestimmungen 
des früheren Urtheils beseitigen. Aber schon die Rechtsmittelinstanz kann den 
gleichen Vorgang zu Gunsten des Angeklagten einzuhalten in die Lage kommen. Die 
Deutsche Straf P O. stellt im § 343 geradezu den Grundsatz auf, daß jedes von der 
Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel die Wirkung hat, daß die angefochtene
	        
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