Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

298 Rechtsmittel. 
in den vorigen Stand, wenigstens bezüglich der Berechtigung, ein derartiges Gesuch 
zu Gunsten des Beschuldigten anbringen zu können, gemacht werden müsse, nimmt 
Löwe, S. 236 N. 8b, an. Doch wird man gegenüber den von ihm geltend 
gemachten Gründen der Billigkeit und angeblichen Folgerichtigkeit daran festhalten 
müssen, daß nach dem Wortlaut des 5§ 44 der betreffende Antrag nur von dem 
gestellt werden kann, der die Frist selbst versäumt hat. 
Die den R. gemeinsamen Bestimmungen (§§8 338 — 345) betreffen: I. die 
Legitimation zur Einlegung; II. die Formen, in welchen ein nicht auf freiem Fuß 
befindlicher Beschuldigter die auf R. bezüglichen Erklärungen abgeben kann; III. die 
Zurücknahme eines R. und den Verzicht auf ein solches; IV. die Wirkung der von 
der Staatsanwaltschaft eingelegten R. 
I. Die Einlegung von R. steht zu: A. Allen Prozeßbetheiligten, also 1) dem 
Beschuldigten. Derselbe kann auch durch Andere vertreten werden, welche a) in 
seinem Namen handeln. Dahin gehören: der Vertheidiger (§ 340), d. h. der- 
jenige, welcher in dem vorausgehenden Verfahren als solcher fungirt hat, nicht auch, 
wer erst in der R. instanz als Vertheidiger auftreten will, wie das v. Kries, 
S. 21, anzunehmen scheint. Ein solcher nachträglicher Vertheidiger bedarf einer 
Legitimation von Seiten des Angeklagten, um R. wirksam für ihn einlegen zu 
können; vgl. Erkenntniß des Reichsgerichts vom 16. Januar 1880 (Entscheidungen, 
I. S. 71) und 14. Februar 1880 (Rechtsprechung, J. S. 356). Ferner: die An- 
gehörigen eines abwesenden Angeklagten; welche Personen darunter zu verstehen 
sind, ist ungewiß, in der StrafP O. wird der Ausdruck nicht als term. techn. be- 
handelt (vgl. §§ 22, 51, 54, 149, 401; ferner 982, 106, 328, 486, auch 483). 
Es wird der Richter also im einzelnen Falle zu entscheiden haben, ob die betreffende 
Person ein Angehöriger des Angeklagten ist, ohne daß ihm dabei § 52 Abs. 2 des 
Straf GB. unbedingt bände, wie v. Schwarze (Kommentar S. 485 N. 2) an- 
zunehmen scheint; vgl. v. Kries, S. 23. Die vermuthete Vollmacht dieser Personen 
hält natürlich gegenüber einer ausdrücklich desavouirenden Erklärung des Be- 
schuldigten nicht Stich. b) Kraft eigenen Rechtes können bei Einlegung von R. für 
den Beschuldigten vorgehen, also auch gegen seinen Willen handeln: sein gesetzlicher 
Vertreter sowie der Ehemann einer beschuldigten Frau (§ 340). Wer als gesetz- 
licher Vertreter anzusehen ist, kann nur auf Grund der geltenden civilrechtlichen Be- 
stimmungen entschieden werden. 2) Die strafverfolgenden Parteien, d. h. die Staats- 
anwaltschaft, eventuell auch die Verwaltungsbehörde (§§ 464—469), der Privat- 
(§ 430, vgl. 8 433) und der Nebenkläger (§ 441, vgl. § 443). B. Andere Per- 
sonen, welche durch die betreffende gerichtliche Entscheidung beschwert werden. Die 
Ergreifung von R. gegen Endurtheile ist in der Straf# O. (§ 479) nur bei dem 
sog. objektiven Strafverfahren für diejenigen gestattet, welche einen rechtlichen An- 
spruch auf den Gegenstand des Verfahrens haben, wol auch dann, wenn sie in erster 
Instanz nicht auftreten (anderer Meinung: Voitus, 466; v. Schwarze, Kom- 
mentar, S. 600). Bezüglich der Möglichkeit einer analogen Ausdehnung dieser Be- 
stimmung vgl. v. Kries, S. 25 ff. Das R. der Beschwerde kann stets von Allen 
gebraucht werden, welche durch eine Verfügung oder einen Beschluß betroffen werden 
(vgl. § 346 Abs. 2). Die Staatsanwaltschaft und der Beschuldigte sind bezüglich 
des Gebrauches der R. prinzipiell gleichgestellt. Auch die Fristen zur Einlegung 
sind von gleicher Dauer. Daß sie einen verschiedenen Anfangstermin haben können, 
z. B. wenn der Angeklagte bei der Verkündigung des Urtheils nicht anwesend war 
(6# 355 Abs. 2, § 381 Abs. 2), hängt damit zusammen, daß der Angeklagte erst 
später authentische Kenntniß von dem ergangenen Urtheile erhielt. Andere scheinbare 
Verschiedenheiten erklären sich wol daraus, daß nur der ein R. anwenden kann, 
welcher sich durch eine Entscheidung beschwert fühlt. Das ist auf Seiten des An- 
geklagten nicht der Fall, wenn er für unschuldig erklärt wird; bezieht dagegen die 
Freisprechung sich nur auf die Strafe, so wird er ein R. ergreifen können. Gleicher
	        
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