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Verantwortlichkeit sich darstellen. Konsequenter als das Französische Recht, nach
welchem der gérant responsable Miteigenthümer des Blattes (propriétaire au moins
d'une part ou action dans l’entreprise) sein muß, hat die Deutsche Gesetzgebung
die literarische und die gewerbliche Seite des Unternehmens vollständig getrennt
iue Auge gefaßt. Ihr ist der R. nichts weiter als der literarische Leiter des
attes.
Aber auch innerhalb der redaktionellen Thätigkeit ist die Arbeitstheilung noth-
wendig geworden. Nicht der R., sondern die Redaktion leitet das Blatt. Ein
vielköpfiges Individuum mit theilweise getrennten, theilweise ineinander übergreifenden,
bald koordinirten, bald subordinirten Funktionen; eine Gesammtpersönlichkeit, die
wiederum nicht geeignet ist, die Verantwortlichkeit zu tragen. Darum hebt die
Gesetzgebung aus den Mitgliedern der Redaktion Einen hervor, um ihn haftbar
machen zu können für das, was die Redaktion verschuldet hat: den verantwort-
lichen R.; und sie mildert die Widersprüche, in welche dieser gesetzliche Begriff
mit den thatsächlichen Verhältnissen zu gerathen droht, indem sie die Aufstellung
mehrerer verantwortlicher R. zuläßt. Den R. hat das Leben geschaffen; der
verantwortliche R. ist ein Produkt der Gesetzgebung.
Der gesetzliche Begriff des verantwortlichen R. setzt sich aus zwei Elementen
zusammen. 1) Niemand ist verantwortlicher R., der nicht als solcher auf der
Druckschrift genannt ist. Jede Nummer der Druckschrift muß Name und Wohnort
des verantwortlichen R. angeben (s. d. Art. Preßpolizei); Nichtnennung oder
falsche Angabe macht jeden Betheiligten, insbesondere aber den Verleger, strafbar
(Preßges. §§ 7, 18, 19). Durch die Nennung übernimmt der Genannte die Ver-
antwortlichkeit. Wer nicht genannt ist, den trifft die vom Gesetze dem verantwort-
lichen R. übertragene Haftung nicht, mag er auch thatsächlich diejenigen Funktionen
ausüben, die das Gesetz bei dem verantwortlichen R. voraussetzt. 2) Die Nennung
allein genügt aber nicht. Verantwortlicher R. wird man nicht einfach durch die
Angabe auf der Druckschrift; die Nennung muß vielmehr den thatsächlichen Ver-
hältnissen entsprechen. Nicht jeder auf dem Blatte Genannte ist verantwortlicher
R., sondern nur derjenige, der die vom Gesetze vorausgesetzten Funk-
tionen ausübt. In der Bestimmung dieser vom Gesetze selbst nicht bestimmten
Funktionen liegt der Kernpunkt der Schwierigkeiten, mit welchen Theorie und Praxis
zu kämpfen haben. Die Funktion des verantwortlichen R. besteht in der Ober-
aufsicht über den Gesammtgang der Redaktionsgeschäfte, soweit
die etwaige kriminelle Bedeutung des Inhaltes der Nummer in
Frage kommt. Es genügt also einerseits nicht, wenn er nur in irgend einer
Weise an der Redaktion betheiligt ist; es ist andererseits nicht erforderlich, daß er als
der geistige Mittelpunkt des ganzen Unternehmens erscheint. Nur wenn diese
Stellung zur Redaktion und die Nennung als verantwortlicher R. auf dem
Blatte zusammentreffen, ist der gesetzliche Begriff des verantwortlichen R. gegeben. —
Theilweise abweichend ist die Auffassung des Oesterr. Rechts. Dieses verlangt
(Preßges. § 8) die Nennung wenigstens eines verantwortlichen R., und deutet
damit an, daß der Genannte nicht nothwendig mit der Oberaufsicht betraut sein
muß, daß es vielmehr genügt, wenn er Mitglied der Redaktion ist. — Die Nennung
mehrerer verantwortlicher R. ist in dem Mreßges. dann gestattet, wenn
aus Form und Inhalt der Benennung mit Bestimmtheit zu ersehen ist, für welchen
Theil der Druckschrift jede der benannten Personen die Redaktion führt. —
Der verantwortliche R. hat für die Aufnahme von amtlichen Bekanntmachungen
und von Berichtigungen (s. d. Art. Preßpolizei) Sorge zu tragen; er haftet
ferner für den Inhalt des Blattes. Diese Haftung bedarf näherer Betrachtung.
II. Das MPreßges. präsumirt zunächst (§ 20) die dolose Thäterschaft
des verantwortlichen R. in Bezug auf die durch die Druckschrift begangenen Preß-
delikte. Es betrachtet den R. als den Verfasser der ganzen Zeitung, weil er durch