Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Redakteur. 311 
Auswahl aus dem ihm von den Mitarbeitern und Korrespondenten zur Verfügung 
gestellten Materiale die einzelne Nummer zusammenstellt, weil er jeden Artikel prüft 
und durch die Aufnahme zu dem seinigen macht, weil er Haltung und Richtung 
des Blattes bestimmt, und demselben den Stempel seiner Individualität aufprägt; 
weil es mithin seine Gedanken sind, welche die Druckschrift äußert. Es mag dahin 
gestellt bleiben, ob diese Annahme eines R., der das ganze Blatt leitet, den that- 
sächlichen Verhältnissen entspricht; gewiß paßt sie nicht gegenüber der Stellung des 
verantwortlichen R., der ja nur die juristische Kontrole zu führen, nur eventuell 
seine warnende Stimme zu erheben hat, der also nur dadurch schuldig werden kann, 
daß er den Einspruch unterläßt, wo er ihn einzulegen Veranlassung und Verpflichtung 
gehabt hätte. Wir haben uns aber, diese Bedenken bei Seite lassend, mit dem 
gegebenen Gesetze zu beschäftigen. Das Gesetz betrachtet den verantwortlichen R. 
als dolosen Thäter der durch den Inhalt der Druckschrift begründeten Delikte, wenn 
nicht durch besondere Umstände die Annahme seiner Thäterschaft ausgeschlossen ist. 
Durch diese Präsumtion befreit die Gesetzgebung den Ankläger von der 
Führung des Schuldbeweifses. Sie will die allgemein strafrechtlichen Grund- 
sätze durch diese Annahme weder abändern noch ergänzen, sondern nur anwenden 
auf die konkreten Verhältnisse der Zeitungspresse. Die präfumirte Thäterschaft des 
R. ist, von der Präsumtion abgesehen, keine andere nach dem Preßrechte als nach 
dem Strafrechte; sie setzt sich aus den gleichen Elementen zusammen hier und dort, 
sie wird hier und dort ausgeschlossen durch das Fehlen eines dieser Elemente. Aber 
sie braucht nicht nachgewiesen zu werden; es genügt die Thatsache, daß der An- 
geklagte verantwortlicher R. ist, um seine Thäterschaft anzunehmen. Gegen diese 
Präsumtion ist der Gegenbeweis zulässig. Während aber gegenüber der Annahme 
der Fahrlässigkeit die Führung des Gegenbeweises dem Angeklagten obliegt, der 
Richter von Amtswegen keine Erhebungen vorzunehmen hat, fehlt hier eine analoge 
Bestimmung. Es bleibt also bei der strafprozessualen Grundregel, daß die Fest- 
stellung des Sachverhaltes durch gemeinschaftliche Thätigkeit des Gerichtes und der 
Parteien, ohne Vertheilung der Beweislast, stattzufinden hat. Das ist nun aller- 
dings eine wesentliche Abschwächung der aufgestellten Präfumtion. Diese wirkt aber 
insoweit, als der Richter ohne besondere Veranlassung zur Erhebung der 
die Präsumtion entkräftenden Thatsachen nicht schreiten darf. Die „besonderen Um- 
stände“, von welchen das Gesetz spricht, sind also nicht solche Umstände, welche die 
Thäterschaft ausschließen, sondern solche, welche die Annahme der Thäterschaft 
erschüttern. Mit anderen Worten: a) der Gegenbeweis gegen die Präsumtion steht 
dem angeklagten R. selbst uneingeschränkt offen; b) von Amtswegen aber 
ist so lange an der Präsumtion festzuhalten, als nicht besondere Umstände eine Er- 
hebung der Vertheidigungsthatsachen nahelegen. — So entfällt die Bestrafung z. B., 
wenn der verantwortliche R. ein wesentliches Thatbestandsmerkmal nicht gekannt hat. 
Daß dies der Fall gewesen, bedarf besonderer Feststellung, in deren Ermangelung 
die Verurtheilung des R. auszusprechen ist. Die Feststellung des Irrthums kann 
nur erfolgen entweder auf Grund des von dem Angeklagten geführten Nachweises 
oder von Amtswegen; letzteres aber nur dann, wenn besondere Umstände die An- 
nahme eines Irrthums nahe legen. — 
Das RPreßges. präsumirt ferner, wenn der R. nicht als Thäter oder Theil- 
nehmer zu bestrafen ist, seine Fahrlässigkeit; dieser Präsumtion gegenüber kann 
er entweder den Gegenbeweis führen, daß er die pflichtgemäße Sorgfalt angewendet 
habe, bzw. daß ihm die Anwendung derselben unmöglich gewesen sei, oder aber sich 
auf seinen Vormann (Verfasser oder Einsender) berufen (s. d. Art. Preß strafrecht). — 
Das Oesterr. Recht kennt die Präsumtion der dolosen Thäterschaft des ver- 
antwortlichen R. nicht, wol aber die Bestrafung desselben wegen Vernachlässigung 
der pflichtgemäßen Aufmerksamkeit; doch hat in diesem Falle der Ankläger den 
Nachweis des Verschuldens zu erbringen.
	        
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