322 Regentschaftsgesetze.
Wahnsinn, Blödsinn oder ein sonstiger Fehler, welcher die Führung der Herrschaft
unmöglich macht, an der Succession in den Kurfürstenthümern hindern solle.
Während also das frühere R. den bei dem Anfall des Surccessionsrechts in Folge
eines unheilbaren geistigen oder körperlichen Gebrechens regierungsunfähigen Agnaten
zu Gunsten des ihm zunächststehenden regierungsfähigen Agnaten überging, lassen
die Deutschen Verfassungen, der Gegenwart selbst bei vollständiger Unheilbarkeit des
Gebrechens, welches den Thronfolger regierungsunfähig macht, doch nur eine Regent-
schaft eintreten. Welche geistigen oder körperlichen Fehler hierzu Veranlassung
geben können, ist regelmäßig in den Verfassungen nicht gesagt; doch war schon zu
Reichszeiten zweifellos, daß nicht mehr der Standpunkt des Feudalrechts, sondern
derjenige der Goldenen Bulle, nach welcher die Fähigkeit zur Führung der Regie-
rung ausschlaggebend sein soll, das Deutsche Staatsrecht beherrsche.
Die Persönlichkeit des Regenten ist in den verschiedenen Verfassungen verschieden
bestimmt: in einzelnen Staaten, wie Bayern, Altenburg, Braunschweig, Koburg-
Gotha,. hat der Monarch das Recht, einen Regierungsvormund für den Thronfolger
aus der Zahl der volljährigen fürstlichen Agnaten frei zu wählen; in Oldenburg
wählt der Monarch den Regenten sogar vollkommen unbeschränkt, ist aber ebenso
wie in Koburg-Gotha an den Konsens der Landstände gebunden. In anderen
Staaten, wie Preußen, Sachsen, Württemberg, muß die Regentschaft stets, also ohne
jede Rücksicht auf den Willen des letzten regierungsfähigen oder des jetzigen regie-
rungsunfähigen Souveräns, auf den nächsten regierungsfähigen Agnaten übergehen,
welcher das für die Volljährigkeit des Souveräns festgestellte Lebensalter erreicht hat,
sollte auch der Volljährigkeitstermin der Prinzen des regierenden Hauses auf ein
späteres Lebensalter festgesetzt sein. Einzelne Verfassungen geben für den Fall, daß
eine Bestimmung des letzten Monarchen über die Person des Regenten nicht vor-
liegt, zunächst, d. i. vor allen Agnaten, der Mutter oder väterlichen Großmutter
des minderjährigen Thronfolgers, wenn sie sich nicht wieder verheirathet haben, ein
Recht auf die Regentschaft — Altenburg, Koburg-Gotha, Reuß j. L. Andere
Staaten — Oldenburg, Bayern, Württemberg u. a. — geben der Mutter, bzw.
väterlichen Großmutter die Regentschaft nur beim Mangel eines volljährigen regie-
rungsfähigen Agnaten, während in anderen Staaten — Preußen und Sachsen —
die Frauen schlechthin von der Regentschaft ausgeschlossen sind, beim Mangel eines
regierungsfähigen Agnaten somit durch ein besonderes Gesetz ein Regent bestellt
werden muß. Ist nun aber ein solches unter der Herrschaft des letzten Souveräns
nicht zu Stande gekommen, so kann bei der Minderjährigkeit oder Regierungs-
unfähigkeit des derzeitigen Souveräns kein R. gegeben werden, weil die Sanktion
desselben von Seiten des Monarchen dessen Regierungsfähigkeit zur Voraussetzung
hat. In diesem Falle ist daher in der Braunschweigischen und Preußischen Ver-
fassung die Wahl eines Regenten dem Landtag zugewiesen und zwar hat dieselbe in
Preußen in vereinigter Sitzung beider Häuser zu erfolgen. Zu diesem Zwecke muß
das durch die Verfassung unterdessen mit der Regierung betraute Staatsministerium
sofort nach der Throngelangung des minderjährigen Thronfolgers oder nach dem
Eintritt der dauernden Verhinderung des regierenden Souveräns den Landtag be-
rufen, welcher zuerst über die Nothwendigkeit der Regentschaft zu entscheiden und
hierauf die Wahl vorzunehmen hat. Nach der Bayerischen Verfassung geht, wenn
weder ein volljähriger regierungsfähiger Agnat vorhanden, noch die Wittwe des
Vorgängers am Leben ist, auch der letzte Monarch über die Person des Regenten
keine Bestimmung getroffen hat, die Regentschaft auf den ersten Kronbeamten über.
Uebrigens verliert nach der richtigeren Ansicht der gewählte oder durch sein Amt
berufene Regent die Regentschaft, sobald ein Agnat des fürstlichen Haufes die Voll-
jährigkeit erreicht und damit fähig wird, selbst Regent zu sein.
Die den Eintritt einer Regentschaft einleitenden Handlungen sind nach den ver-
schiedenen Verfassungen verschieden: Regelmäßig ist hierzu, sofern es sich nicht um