324 Regierungsstellvertretung.
Preußen, kann der privatrechtliche Vormund für den minderjährigen Souverän durch
testamentarische Verfügung des letzten Monarchen ernannt werden.
Die Regentschaft ist beendigt, sobald der Souverän volljährig, bzw. regierungs-
fähig geworden. Ueber die Frage, ob die Regentschaft wegen eingetretener Regie-
rungsfähigkeit des geistig oder körperlich kranken Souveräns aufgehoben werden solle,
muß in derselben Weise wie über die Einsetzung der Regentschaft bei überkommener
Regierungsunfähigkeit entschieden werden: es haben also entweder die Landstände über
einen vom Regentschaftsrathe gefaßten Beschluß sich zu entscheiden, oder der Regent
hat ihnen die Frage nach der Nothwendigkeit der Fortdauer, bzw. nach der Mög-
lichkeit der Aufhebung der Regentschaft zur FEntscheidung vorzulegen.
Quellen: Sachsenspiegel I. Art. 4; II. 6. — Aurea Bulla Cap. 25 § 3. —
Bayern: Verf. Urk. Tit. II. §§ 9— 22. — Euf Verf.Urk. §§ 9—15. — Preußen:
Verf.Urk. Art. 56—58. — Mürttemberg: Verf.Urk. 9§ 11—17. — Altenburg: Staatsgrund-
gesetz §8 16—17. — Koburg-Gotha: Staatsgrundgese 5 § 12—18. — Braunschweig: Neue
Lan schaftsordnung §§ 16—22. — Oldenburg: Rev. Staatsgrundgesetz Art. 16, 20—28 u. a.
Lit.: Außer den älteren spystematischen Darstellungen des kuge 9 vgl.
G. Meyer, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, Leipz. 1878, 88§ 9 — Ferner:
R. v. Mohl, Staatsrecht, Völkerrecht und Politik, Bd. l S 111—206 — Kraut Die
Vormundschaft nach den Grundsätzen des Deutschen Rechts, Bd. III. S. 111—216. — Preuß.
Jahrbücher, herausgeg Haym, Bb-— S. 351, 438 ff. — Fricker, Zeitschr. für die
Piammte Ste Ftberausgig. ö. 2. Bd. e 199 ff. — v. Rönne, Staatsrecht der Preuß.
onarchie, 4. Aufl., Bd. I. (1881) §§ 5rs 0. — v. Kirchenheim, Die Regentschaft,
Leipz. 1880. F. Brockhaus.
Regierungsstellvertretung. Auch die Regentschaft ist eine stellvertretende
Regierung. In gewissen landesrechtlich festgestellten Fällen der Geschäftsunfähigkeit
erhält der Monarch für die Dauer derselben in dem verfassungsmäßig berufenen
Reichsverweser einen Stellvertreter, welcher kraft eigenen Rechts, wenn auch im
Namen des regierungsunfähigen Fürsten, die Regierungsgewalt zu üben hat. Im
Gegensatz zur Regentschaft bezeichnet man nun aber mit dem Ausdruck R. den Fall,
daß der Inhaber der Regierungsgewalt, also Monarch oder Regent, bei einer vor-
aussichtlich vorübergehenden Behinderung, an eine von ihm bezeichnete Person, z. B.
den Thronfolger, oder Behörde, z. B. das Staatsministerium, den jederzeit wider-
ruflichen Auftrag ertheilt hat, ihm zustehende Regierungsakte an seiner Statt, in
seinem Namen und nach Maßgabe gegebener oder einzuholender Instruktionen zu
besorgen. Ein solches Verhältniß findet seine Erklärung darin, daß das Staats-
oberhaupt durch Erkrankung oder Aufenthalt im Auslande in die Lage gesetzt werden
kann, die regelmäßige Erledigung der Regierungsgeschäfte, insbesondere Entgegen-
nahme von Vorträgen und Vollziehung der Unterschriften, eine Zeit lang unterbrechen
zu müssen, ohne daß es einerseits angeht die Sachen bis zur Hebung der Behin-
derung aufzuschieben, ohne daß andererseits der Fall rechtlich dazu angethan ist,
oder seitens der kompetenten Stellen als rechtlicher Grund anerkannt wird, um eine
Regentschaft, also einen Regierungswechsel, eintreten zu lassen. So sehen denn auch
mehrere Deutsche Verf.Urk. neben und in Sonderung von der Regentschaft die Zu-
lässigkeit einer R. ausdrücklich vor; von den jetzt geltenden namentlich das Olden-
burgische Staatsgrundgesetz Art. 16 cf. 20; desgleichen die Bayerische Verf. Urk. II. 8 9b
11; vgl. Pözl, Bayer. Verf. Recht, Art. V. § 145 N. 6; desgleichen die Sächf.
Veif. Urk. § 9; vgl. v. Friesen, Erinnerungen aus meinem Leben, II. (1880)
p. 157, 178 und passim. Andere schweigen allerdings. Indessen wenn sie durch-
gehends als Grund einer Regentschaft, neben der Minderjährigkeit, die „dauernde“,
die „auf längere Zeit eintretende“ Verhinderung des Souveräns zu regieren, aus-
drücklich fordern oder doch voraussetzen lassen, so weisen sie damit darauf hin, wie
es auch solche Behinderungsfälle giebt, die eine Reichsverwesung nicht erforderlich
machen, wie es demnach als Recht und Pflicht des zu eigener Verrichtung eines
unaufschiebbaren Regierungsaktes zeitweilig nicht befähigten Staatsoberhauptes er-—
scheint, Sorge dafür zu tragen, daß eine Stockung in den Geschäften nicht eintrete,