334 Reglement der Eisenbahnen.
abweichend von dem Abschluß des gewöhnlichen Frachtvertrags, im Reglement speziell
auszusprechen, wie die Uebergabe stattfinden muß und wodurch die „Empfang-
nahme“, d. i. die Erklärung der Annahme der Frachtvertragsofferte des Absenders,
konstatirt wird. Die Aufdrückung des Expeditionsstempels soll übrigens das regel-
mäßige, nicht das ausschließliche Zeichen des eingetretenen Konsenses bilden,
und es hängt von den konkreten Umständen ab, ob, falls die Aufdrückung des
Expeditionsstempels unterblieben ist, die Thatsache des eingetretenen Konsenses, bzw.
erfolgten Vertragsabschlusses auf andere Weise erwiesen werden kann.
Die Beidrückung des Stempels der Aufgabestation hat die Vermuthung für
sich, daß sie 1) von den dazu kompetenten Beamten, 2) erst nach vollständiger
Auflieferung des im Frachtbrief deklarirten Gutes erfolgte. Diese Fixirung des
Moments des Beginns der Verantwortlichkeit ist sowol in Bezug auf Berechnung
der Lieferfrist (dieselbe beginnt mit der auf den Tag des Vertragsabschlusses folgenden
Mitternacht) als in Bezug auf den Beginn der Haftpflicht der Eisenbahn nach § 64,
Abs. 1 von wesentlicher Bedeutung. Läßt die Eisenbahn die Güter durch eigene
Rollfuhrleute von den Absendern abholen, so ist schon mit der Uebergabe an diese
der Frachtvertrag abgeschlossen.
Frachtbriefe. Das Betriebsreglement enthält als Beilage das Frachtbrief-
muster, welches jeder Sendung beigegeben sein muß. In diesem erklärt der Ver-
sender, daß er sich den Bestimmungen des Betriebsreglements und der Tarife unter-
werfe, welche für die betreffende Sendung zur Anwendung kommen.
Hierdurch, sowie durch das Gebot, daß der Frachtbrief andere Erklärungen und
Vereinbarungen als sie das H#GB. oder das Betriebsreglement zuläßt, nicht enthalten
darf, ist im öffentlichen Interesse ein sogenannter Normalfrachtvertrag ge-
schaffen, den jeder Versender eingehen muß. Ebenso sind über Form und Inhalt
des Frachtbriefes bindende Vorschriften durch das Betriebsreglement erlassen; er
muß die Unterschrift des Absenders oder eine gedruckte, bzw. gestempelte Zeichnung
seines Namens, sowie die deutliche und genaue Bezeichnung des Empfängers und
des Bestimmungsortes, und, wenn nach letzterem verschiedene Wege führen, die An-
gabe des Transportweges enthalten. Auch die zur zoll= und steueramtlichen Be-
handlung beigefügten Begleitpapiere sind darin zu verzeichnen.
Der Frachtbrief ist nicht das einzige und ausschließliche Beweismittel für den
Frachtvertrag. Auch ist Gegenbeweis gegen den Inhalt desselben zulässig. Bei
Gütern, deren Auf= und Abladen nach Bestimmung des Reglements, des Tarifs
oder besonderer Vereinbarung mit dem Absender, von diesem oder dem Empfänger
besorgt wird, macht die Angabe des Gewichts oder der Menge des Gutes in dem
Frachtbriefe keinen Beweis gegen die Eisenbahn, sofern nicht die Verwiegung der
Wagenladung oder der Güter, welche dieselbe bilden, erfolgt, und die Stückzahl oder
das Gewicht, letzteres durch den Wägestempel von der Abgangsstation auf dem
Frachtbriefe bescheinigt ist. Die Eisenbahn hat bei der Annahme des Frachtbriefes
die Einträge in demselben zu prüfen und erkennt die Angaben — ausnahnmlich des
Gewichts und der Menge im Falle der Selbstverladung — mit der Abstempelung
des Frachtbriefes als richtig und bindend an. Einfeitige Abänderungen der
Frachtbriefangaben nach der Annahme und Abstempelung sind unzulässig und ohne
Wirkung auf die Verpflichtungen des andern Theils. Der Beweiskraft des ab-
gestempelten Frachtbriefs steht die Haftung des Absenders für die Richtigkeit desselben
gegenüber.
Der Absender ist zur richtigen Bezeichnung des Inhalts und des Gewichts
der Eisenbahn verpflichtet und haftet für den daraus entstehenden Schaden und für
eine Konventionalstrafe. Diese verfällt bei falscher Angabe ohne Rücksicht auf
eine Schuld des Absenders, welchem eine positive Verpflichtung bezüglich der
Richtigkeit der Angabe gemacht ist, und ist also lediglich an die Thatsache der
Nichterfüllung der gestellten Vertragsbedingung geknüpft.