Reichsbank. 355
deckung, und endlich ganz unverhältnißmäßig lange Konzessionsdauer, bis Ende dieses,
Anfang, ja Mitte des 20. Jahrhunderts. Auf Grund solcher Konzessionen wurde
schon 1847 eine Zettelbank in Anhalt-Dessau, dann, während der Spekulations-
periode Mitte der fünfziger Jahre, weitere zu Weimar 1853, zu Gera 1854, zu
Gotha, Meiningen, Sondershausen, Bückeburg (l), Homburg (I) 1856 errichtet.
Man muß zwar zugestehen, daß alle diese Banken besser waren als ihr Ruf, daß
ihre gesammte Notenausgabe sich nicht allzu sehr ausdehnen konnte, trotz der Be-
fugnisse dazu, daß eine Stockung der Baarzahlung bei keiner, nicht einmal im Mit-
teldeutschen Kriege von 1866 vorgekommen ist. Aber die Noten dieser Banken
waren sehr mannigfaltig, gingen auf kleine Beträge herab, wurden oft künstlich weit
vom Domizil der Bank, wo sie allein eingelöst wurden, in Umlauf gesetzt und er-
halten, und bildeten so eine lästige Art von Umlaufsmitteln, ganz ähnlich wie das
kleinstaatliche Staatspapiergeld, das meistens dieselben Staaten ebenfalls in einer
zur Kleinheit dieser Staaten in Mißverhältniß stehenden Menge ausgegeben hatten.
Auch unterstützten manche dieser Banken unsolide Geschäfte und schadeten dadurch.
Die Preußische und mittelstaatliche Bankpolitik, welche im Ganzen die Entwickelung
kleiner Zettelbanken innerhalb des eigenen Staates zu hemmen suchte, wurde nicht
ohne Erfolg von dieser kleinstaatlichen Bankpolitik gekreuzt, so daß in der That in
den Konzessionsertheilungen dieser Kleinstaaten (z. B. vom Staate Schaumburg-
Lippe für eine Bank mit unbegrenzter Notenausgabe, in den verschiedensten Wäh-
rungen, selbst in Hamburger Mark Banko, mit hundertjähriger Konzessionsdauer!)
ein für die politischen und öffentlich-rechtlichen Verhältnisse im alten Deutschen Bunde
nur zu charakteristischer Mißbrauch der Souveränetät gefunden werden muß.
c) Die größeren Staaten, Preußen, Bayern, Sachsen, Baden u. a. m., glaubten
diesem Zustand gegenüber zu Repressalien greifen zu müssen, welche freilich dem
Bundesverhältniß und vollends der Einheit des Wirthschaftsgebietes im Zoll-
verein wenig entsprachen, auch nur theilweise Erfolg hatten, aber nur die Konsequenz
des Zettelbankrechts dieser Staaten waren: sie schritten zu theilweisen oder gänzlichen
Verboten aller oder gewisser Sorten ausländischen Staatspapiergeldes und Bank-
noten (1855, 1857) und stellten die Zahlungsleistung damit unter Strafe. Das
Königreich Sachsen ließ fremde Noten über 10 Thaler nur zu, wenn die betreffenden
Banken in Sachsen Einlösungsstellen errichteten. Rechtlich entstanden dadurch ganz
unhaltbare Zustände, millionenfache Straffälle, — thatsächlich änderte sich wenig,
nur etwa, daß die Notenstücke unter 10 Thaler, die besonders verpönt waren, durch
größere vielfach ersetzt wurden. Vereinbarungen über eine gemeinsame Regelung
dieser Dinge wurden im Zollverein angeregt, es kam aber nicht einmal zu ernst-
lichen Verhandlungen darüber.
d) So entwickelte sich das Deutsche Zettelbankwesen auf dieser ganz parti-
kularrechtlichen Basis weiter, noch über 1866 und 1870 hinaus, bis das
Deutsche Reich eine neue einheitliche gesetzliche Regelung in die Hand nahm, die in
der That sehr nothwendig war. Die Preußische Bank dehnte nach 1866 ihre Ge-
schäfte auf die neuen Provinzen, 1871 auf Elsaß-Lothringen aus. Die Kriegsereig-
nisse, dann die Einströmung der Französischen Milliarden, der ungeheuere Spekula-
tions= und Geschäftsaufschwung 1871— 73 führte zu einer starken Vermehrung des
Notenumlaufs, was zu neuen, aber kaum speziell begründeten Vorwürfen besonders
gegen die kleinstaatlichen Banken Anlaß gab, da wenigstens bei den anderen, be-
sonders der Ton angebenden Preußischen Bank, der Entwickelungsgang im Ganzen
derselbe und eben durch die Verhältnisse bedingt war. Der gesammte Deutsche
Notenumlauf war Mitte 1870 258, März 1873 (ungefähr der Höhepunkt) 480
Mill. Thaler, davon durch Kasse (meist Metallgeld) nicht gedeckt bzw. 121 und
183 Mill. Thaler. Der Notenumlauf der Preußischen Bank allein betrug an diesen
beiden den Anfang des Krieges und das Ende der großen Aufschwungsperiode be-
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