976 Reichsfinanzwesen.
durch Beiträge der Bundesglieder, Matrikularbeiträge, ist demnach als dem Begriffe
des Bundesstaates widersprechend zu erachten; Matrikularbeiträge sind vielmehr ein
Charakteristikum des Staatenbundes. Wie der letztere nicht ein einheitliches staat-
liches Gemeinwesen, sondern eine Verbindung von mehreren solcher Gemeinwesen ist,
so fehlt demselben auch die eigene Finanzgewalt; was an finanziellen Mitteln für
Zwecke der Verbindung erforderlich, ist einfach auf die Bundesglieder zu matrikuliren,
durch die Finanzgewalt derselben zu beschaffen und aus den Kassen derselben an die
Bundesbehörde abzuliefern. Die Finanzwirthschaft eines Staatenbundes, welche auf
Matrikularbeiträgen beruht, ist Sozietätswirthschaft, wie der Staatenbund selbst eine
staatsrechtliche Sozietät ist. Dem Bundesstaat dagegen widerspricht dieses Finanz-
system durchaus. Für den Bundesstaat, der eine eigene Finanzgewalt besitzt, müssen
in jedem Falle auch Finanzquellen eröffnet werden, welche ausreichen, um die Be-
dürfnisse der Centralgewalt vollständig zu decken: der Bundesstaat als selbständiges
Rechtssubjekt muß unabhängig sein von den Beiträgen der Bundesglieder. Der
Staatenbund kann begrifflich keine „eigenen“ Einnahmen haben, der Bundesstaat
muß begrifflich „eigene“ Einnahmen haben, welche ausreichen, seine Bedürfnisse zu
decken. Die historische Genesis eines Bundesstaates mag es mit sich bringen, daß
die finanziellen Bedürfnisse der Centralgewalt zuerst durch Matrikularbeiträge be-
schafft werden. Es wird aber die Aufgabe der Gesetzgebung sein, die hierin liegende
Inkongruenz mit dem Bundesstaatsbegriff möglichst zu beseitigen. Bei Aufrichtung
des Norddeutschen Bundes, ebenso bei verschiedenen anderen Anlässen wurde die
Richtigkeit dieser prinzipiellen Gesichtspunkte auch für den Deutschen Bundesstaat
sowol von Seiten der Regierungen, als auch der Volksvertretung anerkannt und demnach
die Institution der Matrikularbeiträge nur als provisorischer Nothbehelf betrachtet.
II. Reichsfiskus und Reichseigenthum. Das Deutsche Reich als
staatsrechtliches Rechtssubjekt ist nach allgemeinen Grundsätzen eigenthums-, erwerbs-
und verpflichtungsfähig: das Reich als Subjekt des Vermögensrechtes wird repräsentirt
durch den Reichsfiskus, für welchen alle diejenigen Rechtsgrundsätze gelten, welche
überhaupt für den Fiskus vorhanden sind (Steuerfreiheit, Gerichtsstand rc.). Das
Reichsvermögen besteht aus allen zu Zwecken der Reichsverwaltung dienenden Ver-
mögensobjekten, Immobilien wie Mobilien, welche entweder für das Reich neu er-
worben oder von den Einzelstaaten in das Eigenthum des Reiches übernommen
wurden. Hauptbestandtheile des Reichsvermögens sind ferner die Reichseisenbahnen
in Elsaß-Lothringen (Zuf. Art. 1 zum Frankfurter Frieden: der Kaufpreis von
325 Mill. Franks wurde aus der Kriegskostenentschädigung entnommen, dazu
Gesetz vom 18. Juni 1873), sowie folgende dauernd vorhandenen Baarfonds: der
Reichskriegsschatz und der Reichsinvalidenfond. (Dazu kommen als provisorisch vor-
handene Fonds der Reichsfestungsbaufond, sowie der Reichstagsgebäudebaufond; der
allgemeine Betriebsfond für die Verwaltung ist in jedem Etat neu zu bewilligen.)
Der Reichskriegsschatz besteht in gemünztem Gelde und darf nur zu Kriegszwecken
verwendet werden, die Zinsen des Invalidenfonds dienen in erster Linie zur Be-
zahlung der durch Kriege veranlaßten Militärpensionen; außerdem werden noch ver-
schiedene andere Ausgaben, insbesondere die Ehrenzulage der Inhaber des eisernen
Kreuzes auf die Zinsen des Invalidenfonds übernommen; der etwa vorhandene
Zinsenrest fließt in die Reichskasse.
Was zu Zwecken der Reichsverwaltung an Immobilien und Mobilien neu be-
schafft wurde, steht unzweifelhaft im Eigenthum des Reiches, ebenso was ausdrücklich
von den Einzelstaaten dem Reich zu Eigenthum übertragen wurde. Außerdem sind
kraft positiver Vorschrift der Reichsgesetzgebung alle diejenigen Objekte, welche früher
im Landeseigenthum standen, nunmehr aber für Reichszwecke verwendet werden, in
das Eigenthum des Reiches übergegangen, jedoch mit dem Vorbehalt, daß Rückgabe
an die Einzelstaaten erfolgen muß, sobald die betreffenden Objekte unbrauchbar oder
entbehrlich für das Reich werden, ohne daß ein Ersatz zu beschaffen ist.