Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

884 Reichsfinanzwesen. 
änderung der Militärorganisation im Rahmen des Etatsgesetzes ausgeschlossen sein 
solle; da der Etat verfassungsmäßig als Gesetz zu verabschieden ist, so folgt daraus 
nothwendig, daß negativ jedes Gesetz im Rahmen des Etats mit Rechtskraft ab- 
geändert werden könne, ebenso, daß positiv im Rahmen des Etats „organisirt“ werden 
könne (so wurde z. B. das Reichsjustizamt errichtet), obwol sicher bei der eigen- 
thümlichen Stellung des jährlichen Bupdgetgesetzes weder dieses noch jenes wün- 
schenswerth erscheint. Formell wird der Militäretat vierfach gegliedert gemäß den 
vier selbständigen Armeeverwaltungen, die im Reiche vorhanden sind: der Preußischen, 
unter welcher alle einzelstaatlichen Kontingente stehen, mit Ausnahme des Sächsischen, 
Württembergischen und Bayerischen, welche selbständig verwaltet werden. Dabei 
besteht noch ein besonderes Rechtsverhältniß hinsichtlich des Bayerischen Militäretats: 
für Bayern wird nämlich der Militäretat von Reichswegen nur als durchlaufender 
Posten eingestellt, die betreffende Summe an die Bayerische Armeeverwaltung aus 
der Reichskasse hinausbezahlt und darüber dem Bundesrath und Reichstag nur Nach- 
weisung gegeben. Die Spezialisirung der Einnahmen und Ausgaben ist den Bayerischen 
gesetzgebenden Faktoren vorbehalten. In diesem Sinne trägt Bayern die Kosten und 
Lasten seines Truppentheiles selbst., Für die Spezialisirung des Bayerischen Militär- 
etats sollen jedoch die Sätze des Reichsmilitäretats „zur Richtschnur“ dienen. — 
Das Korrelat zum Voranschlag bildet die Decharge nach Abschluß des 
Rechnungsjahres. Auf dem Etatsgesetz und dem Dechargebeschluß beruht formell 
die ganze Finanzwirthschaft des Reiches. Ueber die Verwendung aller Einnahmen 
des Reiches muß der Reichskanzler alljährlich dem Bundesrath und dem Reichstag 
zur Entlastung Rechnung legen (RVerf. Art. 72). Der Dechargebeschluß wird nicht 
wie der Etat in die Form eines Gesetzes gebracht, sondern ganz selbständig vom 
Bundesrath wie vom Reichstag ertheilt. Die Decharge besteht in folgender Prozedur: 
nach Abschluß des Rechnungsjahres hat der Reichsrechnungshof die gesammte 
Finanzwirthschaft des abgelaufenen Jahres zu prüfen; für diese Funktion des Reichs- 
rechnungshofes gelten materiell die Vorschriften des Preußischen Rechtes, wie auch 
der Reichsrechnungshof selbst nichts anderes ist als eine Erweiterung der Preußischen 
Oberrechnungskammer. Eine definitive Ordnung der Kontrole des Etats ist für 
das Reich noch nicht getroffen, die geltenden Normen sind als provisorisch zu be- 
trachten. Die Regierung muß zum Zwecke dieser Prüfung den Nachweis führen, 
daß die gesammte Verwaltung den gesetzlichen Vorschriften gemäß erfolgt sei; ins- 
besondere sind Mehreinnahmen und Mehrausgaben unter Angabe der Gründe nach- 
zuweisen. Alle Rechnungen und Beläge sind dem Rechnungshof in Vorlage zu 
bringen und von demselben zu prüfen. Die Kontrole des Rechnungshofes reicht 
soweit als die selbständige Finanzwirthschaft des Reiches. Unkontrolirt bleiben nur 
die sog. Dispositionssonds. Der Rechnungshof hat ferner alljährlich die gesammten 
Aktiva des Reiches auf Grund der einzureichenden Inventarien zu prüfen. Ebenso 
führt er die oberste Kontrole über das Reichsschulden-, sowie über das Kautions- 
wesen. Die Thätigkeit des Rechnungshofes ist einmal eine kalkulatorische Super- 
revision, ferner die Prüfung darüber, ob bei Erwerb oder Veräußerung von Reichs- 
eigenthum, bei Erhebung und Verwendung der Reichseinnahmen den bestehenden 
Gesetzen und Vorschriften, speziell dem Etatsgesetz gemäß, sowie unter Beachtung der 
maßgebenden Verwaltungsgrundsätze verfahren worden sei. Verordnungen und In- 
struktionen der Regierung und Centralbehörden, welche das Finanzwesen betreffen, 
sind dem Rechnungshof unverzüglich mitzutheilen, Verordnungen der Unterbehörden 
aber vor ihrem Erlaß demselben zu kritischer Prüfung vorzulegen. Zum Zweck seiner 
Kontrole kann der Rechnungshof von allen Behörden Mittheilungen, auch Einsendung 
der Akten verlangen, Kommissäre und Kommissionen an Ort und Stelle entsenden, 
die Unterbehörden selbst mit Ordnungsstrafen belegen. Den Unterbehörden ertheilt 
der Rechnungshof selbst Decharge. Nach durchgeführter Kontrole geht das gesammte 
Material in Form einer Denkschrift an den Bundesrath wie an den Reichstag; 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.