Reichsgericht. 391
durch kaiserliche Verordnung — nachträgliche Genehmigung des Reichstages vor-
behalten — bestimmt werden kann, sowol daß die Verletzung bestimmter, in der
Verordnung zu bezeichnender Gesetze, obwol sie nur in einem Oberlandesgerichts-
bezirke gelten, dennoch die Revision begründen, wie auch, daß die Verletzung solcher
Gesetze, welche in mehr als einem Oberlandesgerichtsbezirke gelten, die Zulässigkeit
der Revision nicht begründen solle. (Vgl. die Verordnung, betr. die Begründung
der Revision in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, vom 28. Sept. 1879; R. G. Bl.
S. 599.) Die Vorschriften der CPO. § 511 und des E. § 6 zeigen die Noth-
wendigkeit einer thunlichsten Förderung derjenigen Gesetzgebungsarbeiten, aus denen
das bürgerliche Gesetzbuch für das Deutsche Reich hervorzugehen bestimmt ist. Sind
bezüglich des Geltungsbereiches der verletzten Rechtsnorm die Erfordernisse der CPO.
§ 511 erfüllt, so ist in Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche die
Zulässigkeit der Revision der Regel nach durch einen den Betrag von 1500 Mark
übersteigenden Werth des Beschwerdegegenstandes bedingt (GVG. § 508). Dieses
Erforderniß fällt aber fort in den Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, für welche die
Landgerichte ohne Rücksicht auf den Werth des Streitgegenstandes ausschließlich zu-
ständig sind (GVG. § 70 Abs. 2, 3; vgl. d. Art. Landgerichte), sowie in allen
denjenigen Fällen, in denen Unzuständigkeit des Gerichts, Unzulässigkeit des Rechts-
weges oder Unzulässigkeit der Berufung den Inhalt der Revisionsbeschwerde bildet. —
Diese Zuständigkeit des R. als Revisionsgerichts in bürgerlichen Rechtsstreitig-
keiten wird in Gemäßheit des § 8 des Ebc. zum GVG. für Bayern nicht statt-
finden. Bayern bestellt für sich ein oberstes Landesgericht als Revisionsgericht
für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten. Es werden aber nicht von diesem Bayerischen,
sondern von dem R. entschieden werden diejenigen Revisionssachen, welche vor dem
1. Okt. 1879 von dem Reichsoberhandelsgerichte zu entscheiden gewesen wären, sowie
diejenigen Revisionssachen, welche durch spätere Reichsgesetze, mit Ausschluß des
Bayerischen obersten Gerichtshofes, dem R. werden zugewiesen werden.
2) Das R. ist als Beschwerdegericht zuständig für die dem Rechtsmittel
der Beschwerde unterworfenen Entscheidungen der Oberlandesgerichte (GVG. § 135
Nr. 2). Die Rechtsstreitigkeit kommt durch die Beschwerde gegen die Entscheidung
des Oberlandesgerichts allemal in die dritte Instanz. Eine Beschwerde über die in
Folge einer Beschwerde an das Oberlandesgericht getroffene Entscheidung, die sog.
„weitere Beschwerde“ kann nach der CPO. § 531 nur dann stattfinden, wenn in
dieser Entscheidung ein neuer selbständiger Beschwerdegrund enthalten ist. Auch in
seiner Eigenschaft als Beschwerdegericht wird die Zuständigkeit des R. durch den vorhin
erwähnten obersten Bayerischen Gerichtshof in dem dort erwähnten Umfange beschränkt.
B) In Strafsachen. Nach dem GVG. F 123 ist in den schöffengerichtlichen
Strafsachen, in denen nach dem G. 8§ 76 die Strafkammern die Berufungsgerichte
sind, das Rechtsmittel der Revision den Oberlandesgerichten zugewiesen. Statt der
Oberlandesgerichte soll nun aber (GVG. § 136 Abs. 2) das R. Revisionsgericht sein
in Strafsachen wegen Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung
öffentlicher in die Reichskasse fließender Abgaben und Gefälle. Diese Vorschrift
wäre für diejenigen der eben bezeichneten Straffälle, welche schon in erster Instanz
zur Zuständigkeit der Strafkammern gehören, überflüssig gewesen; denn für diese
Sachen ist die Zuständigkeit des R. auch da, wo es sich um Strafsachen wegen
Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher in die
Reichskasse fließender Abgaben und Gefälle handelt, schon durch das G. § 130
Abs. 1 Nr. 2 bestimmt worden. Es hat demnach Abs. 2 nur eine Bedeutung für
diejenigen Strafsachen der bezeichneten Art, welche in erster Instanz zur Zuständigkeit
der Schöffengerichte gehören (GVG. § 27 Nr. 1, 2; vgl. StrafPß O. § 459 ff.,
462). Aber auch unter dieser Voraussetzung bleibt das Oberlandesgericht das zu-
ständige Revisionsgericht, wenn nicht die Staatsanwaltschaft bei Einsendung der Akten
an das Oberlandesgericht die Entscheidung des R. beantragt. (Vgl. hierzu Stras# O.