Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

398 Reichskriegsschatz. 
8) Es mag dahingestellt bleiben, inwieweit die finanziellen Bestimmungen der 
Verf. Urk. die bisherige Machtvollkommenheit der Regierung auf diesem Gebiete streng 
genommen vielleicht beschränkt hätten. In der staatsrechtlichen Praxis bildete sich 
alsbald der bei einzelnen Veranlassungen allerdings bestrittene Grundsatz aus, daß 
die in den Kab. Ordres von 1820 und 1826 dem Staatsschatz zugewiesene Ein- 
nahme auch ferner ohne eine Bewilligung des Landtages dem Staatsschatz zuflösse, 
also insbesondere der Ueberschuß der Einnahmen über die Ausgaben, hinsichtlich 
deren Verwendung keine Vereinbarung erzielt war, außerdem aber die oben auf- 
geführten zufälligen Einnahmen, hinsichtlich deren noch in Betracht kommt, daß die 
Regierung sich damals in ziemlich weitem Maße die Befugniß, Staatsvermögen 
ohne Zustimmung des Landtages zu veräußern, beilegte; eine Bewilligung des Land- 
tages war nur erforderlich, wenn dem Staatsschatz eine unter die Kategorie jener 
Kab. Ordres nicht zu subfumirende Einnahmequelle, wie z. B. der Rest der Anleihe 
von 1859, zugeführt werden sollte; an einer Maximalgrenze fehlte es ganz. — Eine 
Nachweisung des Bestandes des Staatsschatzes, sowie ein Etat der voraussichtlichen 
Einnahmen und Ausgaben desselben ist zwar in den Jahren 1851—1853 den 
Kammern vorgelegt, diese Kontrole des Landtags aber seit dem Staatshaushalts- 
gesetz von 1854 darauf beschränkt, daß eine derartige Veröffentlichung durch den Druck 
nicht mehr stattfand, und nur die Abschlüsse der Rechnungen der Budgetkommission 
vertraulich zur Prüfung vorgelegt wurden, die dann ihrerseits den Kammern all- 
gemein gehaltene Mittheilungen machte. 
4) Als nun in Folge der Kriege von 1864 und 1866 der Staatsschatz geleert 
war, aus dem vorher schon 5½ Millionen als Kosten für die Grundsteuerregulirung 
entnommen waren, die jedoch nach dem Gesetze von 1861 von den Belasteten ersetzt 
werden mußten, so nahm die Regierung nach Beendigung des Krieges von 1866 
Anfangs als selbstverständlich an, daß dem Staatsschatz aus den Kriegskostenentschä— 
digungsgeldern diejenigen Summen, welche demselben im Gesammtbetrage von etwa 
22 Millionen für die beiden letzten Kriege entnommen waren, ohne besondere Zu- 
stimmung des Landtags wieder zugeführt werden müßten. Der noch aus Nikolsburg 
zwei Tage nach dem Abschlusse der Präliminarien (28. Juli 1866) datirte Gesetz- 
entwurf, betreffend den außerordentlichen Bedarf der Militär= und Marineverwaltung, 
enthält weder selbst noch in seinen Motiven ein Wort vom Staatsschatz, außer der 
Mittheilung, daß demselben ein Theil der zur Kriegführung verwendeten Summen 
entnommen sei, und erst bei der Einbringung dieses Gesetzentwurfs (sog. 60-Millionen- 
vorlage) in das Abgeordnetenhaus am 14. August sprach sich der Finanzminister 
beiläufig dahin aus, daß die Regierung beabsichtige, aus den eingehenden Kriegs- 
kontributionen vor allen Dingen den Staatsschatz bis zum Betrage von 22 Millionen 
wieder zu füllen. Indessen hat die Regierung diesen Standpunkt schon in der Kom- 
mission aufgegeben und sich mit der Aufnahme einer desfallsigen Bestimmung in den 
vorliegenden Gesetzentwurf einverstanden erklärt. Dieser jedoch, wie er aus den 
Beschlüssen der Kommission hervorgegangen war, enthält eine derartige Ermächtigung 
nicht nur nicht, sondern es war durch die in demselben verfügte Verwendung über 
die Kriegskontribution der Regierung thatsächlich unmöglich gemacht, irgend etwas 
in den Staatsschatz zu legen. Bei der Plenarverhandlung über die 60-Millionen- 
vorlage drehte sich aber Alles gerade um diese Frage. Es wurde damals die Noth- 
wendigkeit des ganzen Instituts ausführlich erörtert, indem man von der einen Seite 
auf die finanziellen und volkswirthschaftlichen Nachtheile eines so bedeutenden zinslos 
daliegenden Bestandes und auf die konstitutionelle Gefährlichkeit der Einrichtung, 
von der anderen Seite aber darauf hinwies, daß ein solches Opfer nothwendig sei, 
um über die finanziellen Schwierigkeiten im Augenblicke einer Kriegserklärung hin- 
wegzuhelfen, die um so bedeutender seien, je größer bei dem System allgemeiner 
Wehrpflicht die Differenz zwischen der Friedens= und Kriegsformation sich heraus- 
stelle. Das Resultat waren die Al. 3 und 4 des § 2 des Gesetzes, betr. den außer-
	        
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