Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Reichsland. 405 
Lothringen) aus seinen Mitgliedern gewählt wurde und aus 30 Mitgliedern und 9 
Stellvertretern bestand. Durch Gesetz vom 2. Mai 1877 (R.G.Bl. S. 491) wurde 
der Landesausschuß zu einem staatsrechtlichen Faktor der Gesetzgebung erhoben und 
ein zweiter fakultativer Weg für den Erlaß reichsländischer Gesetze eingeführt. Da- 
nach konnte der Kaiser mit Zustimmung des Bundesraths und des Landesausschusses 
Gesetze für Elsaß-Lothringen erlassen, dergestalt, daß nunmehr wieder wie vor dem 
Gesetz vom 25. Juni 1873 der Kaiser Faktor der Gesetzgebung wurde und neben 
ihm der Bundesrath die Stelle eines Oberhauses, der Landesausschuß die Stelle 
eines Unterhauses vertrat. Letzterer sollte auch neben dem Bundesrath die Entlastung 
für den Landeshaushalt ertheilen, diese aber bei einer Verweigerung seitens des 
Landesausschusses durch den Reichstag erfolgen. Im Uebrigen ist das Gesetz vom 
25. Juni 1873 in Kraft geblieben, und namentlich hat dieser zweiten Form der Ge- 
setzgebung nicht die Befugniß beigelegt werden sollen, Gesetze, welche durch die Reichs- 
gesetzgebung geschaffen waren, abzuändern oder aufzuheben (Laband, II. S. 147). 
5) Die Selbständigkeit (vom 1. Oktober 1879). Im Annschluß an die 
vom Reichstag am 27. März 1879 angenommene Resolution, daß Elsaß-Lothringen 
eine selbständige im Lande befindliche Regierung erhalte, erging das Gesetz vom 
4. Juli 1879 (R.G.Bl. S. 165), welches laut Verordn. vom 23. Juli 1879 
(R.G. Bl. S. 281) mit dem 1. Oktober 1879 in Kraft trat. An dem Verhältniß 
von Elsaß-Lothringen zum Reich wird Nichts geändert, so daß für das R. auch 
noch ferner Landesgesetze im Wege der Reichsgesetzgebung erlassen werden können 
(Ges. vom 2. Mai 1877) und der Kaiser mit Zustimmung des Bundesraths befugt 
bleibt, Nothstandsverordnungen zu erlassen (Ges. vom 25. Juni 1873, § 8). Die 
Ausübung der Staatshoheit steht nach wie vor dem Kaiser zu, dem jedoch das Recht 
beigelegt ist, sich in der Ausübung seiner landesherrlichen Machtbefugnisse durch 
einen Statthalter, welcher im Lande residirt, vertreten zu lassen. Dagegen scheidet 
die Centralbehörde des Reichs — der Reichskanzler — völlig aus der Verwaltung 
von Elsaß-Lothringen aus, und er steht eigenthümlicher Weise zu dem R. in keinem 
anderen Verhältniß als zu einem Bundesstaate, dagegen würde jedoch auch der 
Statthalter Elsaß-Lothringische Landesgesetze, welche im Wege der Reichsgesetzgebung 
zu Stande kommen, nicht an Stelle des Reichskanzlers zu kontrasigniren haben (Gesetz 
§ 3). Die Aenderung der Staatsverfassung im R. ist also lediglich im Sinne der 
Reichstagsresolution erfolgt; es ist nunmehr eine Regierung im Lande geschaffen. 
Dieselbe gipfelt in dem Statthalter, welcher an die Stelle des Reichskanzlers und 
bisherigen Oberpräsidenten tritt und endlich in verschiedenen Richtungen vermöge 
Kaiserlicher Delegation landesherrliche Rechte ausüben kann. 
II. Gegenwärtige Verfassung des R. 
A. Der Statthalter. Die Ernennung und Abberufung desselben erfolgt 
durch den Kaiser unter Gegenzeichnung des Reichskanzlers (Art. 17 der RVerf.). 
Die Residenz des Statthalters ist Straßburg. 
1) Der Statthalter als Inhaber landesherrlicher Befugnisse. 
In Betracht gezogen sind: die Vollziehung allgemeiner Verordnungen 
zur Ausführung von Gesetzen, die Vollziehung bestimmter, aus- 
drücklich bezeichneter Verordnungen (Abänderung der Kreis= und Bezirks- 
grenzen, Ermächtigung von Bezirken und Gemeinden zur Aufnahme von Anleihen 
und Steuerzuschlägen, Octroi, Brücken= und Fährgeld, Feststellung des Haushalts der 
Bezirke, Anerkennung gemeinnütziger Anstalten, Ermächtigung zur Annahme letzt- 
williger Zuwendungen u. s. w.), die Befugniß zum Erlaß von Geldstrafen 
und die Befugniß zur Gewährung der Rehabilitation sowie zum 
Erlaß von Steuern, Gebühren, Gefällen, die Ernennung und Ab- 
berufung verschiedener mittelbarer Staatsdiener (Bürgermeister, Bei- 
geordnete, Geistliche aller Bekenntnisse). In diesen Grenzen hat der Kaiser seine 
landesherrlichen Rechte durch Verordn. vom 23. Juli 1879 (R.G.Bl. S. 232) dem
	        
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