Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

410 Reichstag. 
Regierungskollegium des Reiches, dem Bundesrath. — Die Mitgliedschaft zum R. 
erlischt durch Verlust einer der Voraussetzungen der Wählbarkeit, durch Verzicht, 
durch Annahme eines befoldeten Staatsamtes und Beförderung im Staatedienst zu 
höherem Rang oder Gehalt, durch Auflösung des R., endlich durch Ablauf der drei- 
jährigen Wahlperiode. 
Das Wahlverfahren erfolgt in der Art, daß die gesetzlichen Wahlkreise in Wahl- 
bezirke mit einer Normalzahl von ca. 3500 Seelen zerlegt werden. Für jeden 
Wahlbezirk wird durch die Gemeindebehörde eine Wählerliste angefertigt, welche die 
Namen aller Wahlberechtigten enthalten muß. Diese Liste ist vier Wochen vor der 
Wahl auf mindestens acht Tage öffentlich auszulegen, damit etwaige Reklamationen, 
sei es behufs Aufnahme sei es behufs Streichung gewisser Personen angebracht 
werden können. Nach Abschluß dieses Verfahrens ist die Liste durch Unterschrift des 
Gemeindevorstandes abzuschließen. Bei Neuwahlen sind neue Listen anzufertigen, 
wenn nicht die Neuwahl in das der ersten Wahl folgende Jahr fällt. Die Kosten 
für Herstellung der Listen fallen den Gemeinden zur Last. Der Wahltag wird durch 
Verordnung des Kaisers bestimmt, und zwar haben die allgemeinen Wahlen im 
ganzen Reiche am nämlichen Tage stattzufinden. Der R. muß mindestens alljährlich 
einmal einberufen werden; nach Ablauf der gesetzlichen Wahlperiode müssen demnach 
die Neuwahlen so rechtzeitig angeordnet werden, daß jener Verfassungsvorschrift 
genügt werden kann; bei Auflösung des R. während der Wahlperiode haben die 
Neuwahlen jedenfalls innerhalb der dem Auflösungstermine nachfolgenden 60 Tage 
zu erfolgen. Nur bei Ablehnung, Verzicht und Ungültigkeitserklärung dürfen Spe- 
zialwahlen stattfinden. Ueber die Wahlhandlung selbst enthält das Wahlreglement 
(eine Verordnung des Bundesrathes, welche jedoch nur mit Zustimmung des R. 
abgeändert werden darf) sehr spezielle Vorschriften, welche sich auf Wahllokal, Wahl- 
vorstand und Stimmabgabe beziehen. Letztere erfolgt durch Zettel, die verdeckt in 
eine Urne zu legen sind; das Geheimniß der Wahl ist strengstens zu wahren. Die 
Stimmabgabe kann nicht durch Stellvertreter erfolgen, die Stimmzettel müssen von 
weißem Papier sein und dürfen kein äußeres Kennzeichen tragen, auch nicht im Wahl- 
lokal selbst geschrieben sein. Im Wahllokal dürfen keine Ansprachen gehalten oder 
Diskussionen gepflogen werden. Das Wahlresultat wird zunächst für den Wahl- 
bezirk, weiterhin durch den von Staatswegen ernannten Wahlkommissar für den 
Wabhlkreis festgestellt, und zwar spätestens am dritten Tage nach der Wahlhandlung; 
die Feststellung und Publikation erfolgt unter Zuziehung einer Kommission von 
Wählern, das Wahlprotokoll ist dem R. einzusenden. Gewählt ist derjenige, welchem 
die absolute Mehrheit aller abgegebenen Stimmen zugefallen ist; hat sich eine solche 
Mehrheit nicht ergeben, so findet engere Wahl statt, die juristisch nur als Fort- 
setzung der ersten Wahl zu betrachten ist. Die engere Wahl erfolgt zwischen den- 
jenigen beiden Kandidaten, welche die meisten Stimmen erhalten haben; tritt bei 
der engeren Wahl Stimmengleichheit ein, so entscheidet das durch den Wahl- 
kommissar zu ziehende Loos. Die engere Wahl hat binnen 14 Tagen nach der 
ersten Wahl stattzufinden. Die Notifikation des Wahlergebnisses an den Gewählten 
erfolgt durch den Wahlkommissar, dem binnen 8 Tagen eine Erklärung über An- 
nahme oder Ablehnung der Wahl sammt den nöthigen Nachweisungen hinsichtlich 
der gesetzlichen Erfordernisse der Wählbarkeit einzusenden ist. Die Wähler sind be- 
rechtigt, Vereine zu bilden sowie Versammlungen zu veranstalten, die die R.wahl 
zum Gegenstand haben; solche Versammlungen müssen jedoch öffentlich und un- 
bewaffnet stattfinden, im Uebrigen gelten die landesrechtlichen Vorschriften über 
Vereins= und Versammlungswesen. Das Wahlrecht ist in besonderer Weise straf- 
rechtlich geschützt (RStrafGB. §§ 107, 109, 339); soweit strafrechtliche Normen 
nicht existiren, ist jede Art von Wahlagitation juristisch erlaubt; amtliche Wahl- 
beeinflussungen hat der R. in der Regel als ausreichenden Grund zur Ungültigkeits- 
erklärung von Wahlen betrachtet. Der R. entscheidet über die Gültigkeit der 
 
	        
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