Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

414 Reichs- und Staatsangehörigkeit. 
Die Verfassungsurkunde enthält nur die Vorschrift daß die Verfassung und 
das Gesetz bestimmen, unter welchen Bedingungen die Eigenschaft eines Preußen 
und die staatsbürgerlichen Rechte erworben, ausgeübt und verloren werden. Die 
Verfassungskommission der Nationalversammlung, von der diese Fassung herrührt, 
hatte übrigens ein besonderes Gesetz über das Staatsbürgerrecht ausgearbeitet, welches 
gleichzeitig mit der Versassungsurkunde erlassen werden sollte. 
Das Gesetz vom 31. Dez. 1842 ist auch für die Hohenzollern'schen Lande als 
wesentlicher Bestandtheil der dort eingeführten Verfassungsurkunde ohne besondere 
Publikation nach der damaligen Auffassung der Staatsregierung maßgebend ge- 
worden. Diese Auffassung ist indessen später mit Recht aufgegeben und demgemäß 
das Gesetz vom 31. Dez. 1842 zwar durch ausdrückliche Bestimmung im Jade- 
gebiete, sowie in der vormals Bayerischen Enklave Kaulsdorf und in dem zur vor- 
maligen Landgrasschaft Hessen-Homburg gehörig gewesenen Oberamte Meisenheim 
(Verordn. vom 20. Aug. 1855, 22. Mai 1867, 20. Sept. 1867), nicht aber in 
den übrigen durch die Gesetze vom 20. Sept. und 24. Dez. 1866 mit der Monarchie 
vereinigten Ländern eingeführt. Es traten daher der Altpreußischen noch acht andere 
Gesetzgebungen über den Erwerb und Verlust des Staatsbürgerrechts (Hannover, 
Schleswig-Holstein, Kurhessen, Großherzogthum Hessen, Hessen-Homburg mit Aus- 
nahme von Meisenheim, Nassau, Frankfurt, Bayern mit Ausnahme von Kaulsdorf) 
hinzu, die zum Theil bis in die Grundlagen von einander abweichen, indem z. B. 
in Hannover die Staatsangehörigkeit als Ausfluß und Zubehör der Gemeindeangehörig- 
keit betrachtet wurde, so daß für den Erwerb derselben lediglich die Gemeinde= und 
Heimathsgesetzgebung maßgebend war, mit der Einschränkung, daß die Gemeinden Aus- 
länder nur mit Genehmigung der Regierung zu Mitgliedern aufnehmen konnten. Diese 
Verschiedenheiten bezogen sich jedoch seit der Vereinigung jener Länder mit dem 
Preußischen Staate nur auf den Erwerb, nicht auch auf die Wirkungen des Indigenats, 
da die Angehörigen dieser Länder durch die Einverleibungsgesetze, resp. durch die 
vollzogene Besitzergreifung in den Preußischen Staatsverband ausgenommen, daher 
als Ausländer nicht ferner zu behandeln waren, und ein speziell Hannoversches, Kur- 
hessisches 2c. Indigenat seitdem nicht mehr möglich war. 
Die staatsrechtliche Einheit der Monarchie machte es aber unerläßlich, gleich- 
mäßige Vorschriften über den Erwerb und Verlust des Preußischen Indigenats auf- 
zustellen. Eine einfache Ausdehnung des Gesetzes vom 31. Dez. 1842 auf die neuen 
Provinzen hatte jedoch insofern Bedenken, als manche Vorschriften desselben nach 
Inhalt und Fassung der inzwischen geänderten sonstigen Gesetzgebung nicht mehr 
entsprachen, auch während der 25jährigen Anwendung sich einige Unzuträglichkeiten 
herausgestellt hatten. Die Staatsregierung legte daher in der Session 1868/1869 
dem Landtage einen neuen auf den Grundlagen des Gesetzes von 1842 ruhenden 
Gesetzentwurf für den ganzen nunmehrigen Umfang des Staates vor. Dieser Gesetz- 
entwurf wurde vom Herrenhause ohne wesentliche Abänderungen angenommen; das 
Abgeordnetenhaus trat zwar in den meisten Punkten den Beschlüssen des Herren- 
hauses bei, beschloß jedoch in dem ganzen Gesetzentwurf das Wort Unterthan durch 
das Wort Preuße zu ersetzen. Dies wurde vom Herrenhause abgelehnt, und wegen 
dieser Differenz ist das Gesetz nicht zu Stande gekommen. 
2) Inzwischen war bereits durch Art. III. der Norddeutschen Bundesverfassung 
ein gemeinsamer Bundesindigenat begründet, mit der Wirkung, daß der Angehörige 
eines jeden Bundesstaates in jedem anderen Bundesstaate als Inländer zu behan- 
deln, und demgemäß zum festen Wohnsitze, zum Gewerbebetriebe, zu öffentlichen 
Aemtern, zur Erwerbung von Grundstücken, zur Erlangung des Staatsbürgerrechts 
und zum Genusse aller sonstigen bürgerlichen Rechte unter denselben Voraussetzungen 
wie der Einheimische zuzulassen sei. Dieser Bundesindigenat des Art. III. hatte also 
keinen spezisischen Inhalt, sondern ließ die Landesindigenate ihrem Inhalte nach 
unberührt, und nahm nur die Schranken hinweg, welche innerhalb des Einzelstaates
	        
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