428 Religionsverbrechen.
anerkannten Religionsgesellschaft gewaltthätig stört oder hindert, oder einen Reli—
gionsdiener derselben während seiner geistlichen Amtsverrichtung beleidigt oder miß-
handelt oder ohne Zwang und Gewalt eine Religionsübung durch Erregung von
Unordnung oder sonstwie unterbricht oder dabei durch unanständiges Betragen
Aergerniß giebt. Hierbei wird eine öffentliche Religionsübung, nicht die häusliche
Religionsübung vorausgesetzt. Die Oeffentlichkeit bedeutet hier ein Begriffsmoment,
gleichviel ob die Religionsübung im Gottesdienste oder unter freiem Himmel oder
in einem Privathause vorgenommen wurde. Nur Mürttemberg und Altenburg for-
derten im Falle der Verhinderung oder Störung des Gottesdienstes durch gewalt-
thätigen Einfall, daß dieser an einem bestimmten religiösen Versammlungsorte statt-
gefunden habe. Preußen, Oldenburg hatten nach Französischem Muster auch den
Zwang der Ausübung gottesdienstlicher Handlungen in den Thatbestand aufgenommen,
wobei es nur auf einen öffentlichen Gottesdienst ankommt, nicht auch darauf, daß
die benöthigte Religionsgemeinschaft Korporationsrechte habe. Das Deutsche Straf-
GB. § 167 spricht nur von Hinderung der Ausübung des Gottesdienstes durch
Thätlichkeiten oder Drohungen und verhängt Gefängniß bis zu drei Jahren darauf.
In Oesterreich macht sich des Verbrechens der öffentlichen Gewaltthätigkeit schuldig,
wer gegen einen Geistlichen durch gewaltsame Handanlegung oder gefährliche Drohung
die Vornahme einer geistlichen Amtsverrichtung zu erzwingen sucht. Der Oesterreichische
Entwurf von 1874 §. 179 bedroht mit Gefängniß bis zu drei Jahren auch die
Verhinderung oder Störung einzelner gottesdienstlicher Verrichtungen oder Andachts-
übungen einer gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaft. — Die Störung der gottes-
dienstlichen Handlung muß sich nicht auf die ganze versammelte Gemeinde oder den
geistlichen Funktionär erstrecken; es genügt die Störung einzelner am Gottesdienst
theilnehmenden Personen, auch wenn dieselbe alsbald wieder beseitigt wurde. Eine
blos fahrlässige Störung ist nicht genügend. Einige Gesetze strafen jede Art von
Verhinderung oder Störung gottesdienstlicher Verrichtungen oder Verhandlungen,
gleichviel, ob sie in der Kirche oder außerhalb derselben stattgefunden hat, namentlich
bei Prozessionen, kirchlichen Begräbnissen 2c. Dieser Fall ist von jenen zu unter-
scheiden, in welchen eine Beschimpfung einer Religionsgesellschaft liegt, wobei eben
nur gefordert ist, daß die Handlung in einer Kirche oder in einem anderen religiösen
Versammlungsorte, keineswegs während einer Ritualverrichtung verübt wurde. Das
Deutsche Straf GB. bedroht die Verübung eines beschimpfenden Unfugs, also nicht
jeden Unfug in einer Kirche und setzt dabei eine Beschimpfung gegen den religiösen
Versammlungsort sowie gegen dessen Bestimmung voraus, wobei nicht erforderlich ist, daß
die Religionsgesellschaft, in deren Versammlungslokal der beschimpfende Unfug verübt
wird, Korporationsrechte habe, wie Rüdorff, Straf GB. 1877, zu § 166 und
v. Liszt, Deutsches Reichsstrafrecht 1881, S. 366 bemerken. Auch die Altkatholiken
genießen diesen Strasschutz nach Preußischem Ges. vom 4. Juli 1875. Der Angriff
des Gottesdienstes ist nicht nothwendig durch die Vornahme einer religiösen Amts-
verrichtung von Seite eines Religionsdieners bedingt.
Zu den Verletzungen der Gegenstände religiöser Verehrung gehört auch die muth-
willige oder boshafte Verletzung von Grabstätten und die Entweihung von Leichen.
Zu einem Grabe wird ein Ort erst durch die Zweckbestimmung der Leichenbeerdigung.
Die Möglichkeit der Verletzung religiöser Pietät wird bei der Grabschändung voraus-
gesetzt. Der Todtenkultus ist bei allen gebildeteren Völkern unter Strafschutz gestellt.
Nachdem das Begraben in geweihter Erde kirchlich als Recht des christlichen Todes
aufgefaßt worden ist, konnten die Entwendung oder Beschädigung von Gegenständen,
welche Todten mit ins Grab gegeben sind, oder Mißhandlungen und Ausplün-
derungen der Leichen, nicht mehr unter den Begriff gemeiner Diebstähle, Verun-
glimpfungen oder Beschädigungen fallen, abgesehen davon, daß blos von einem
OQuasidiebstahl an Gegenständen, die in Niemandes Inhabung sind, die Rede sein
kann. Wenn Entwendungen an Gegenständen, welche an Grabdenkmalen sich be-