444 Repressalien.
Phillimore, III. 22; Burchardi, 505 ff.; Berner, 601). Bynkershoek
gewährt sie jedoch (de foro legator. XXII. § V.), weil, wenn die R. überhaupt
rechtlich begründet sind, man sie auch Fremden nicht verweigern könne, denn vor
dem Recht gelte kein Unterschied der Person und müsse man es Allen gewähren
(s. dagegen Bynkershoek selbst in feinen qu. iur. publ. I. XXIV.). Klüber
hat zwar (§ 238) allgemein völkerrechtliche Selbsthülfe zum Vortheil und auf An-
rufen eines dritten Staates gestattet, wenn man sich vollständig davon überzeugt
hat, daß die Rechte dieses Staates verletzt seien, erkennt aber eine vollkommene Ver-
bindlichkeit zu dieser Hülfeleistung nur auf Grund eines Vertrages an. Sein Heraus-
geber Morstadt bemerkt dazu: „Selbsthülfe für einen Dritten ist contradictio in
adjecto"“ Gegen Bynkershoek und bedingt für Klüber ist Wurm (461 ff.),
seinen eigenen Widerspruch motivirt er aber dadurch, daß, weil einem Staat zu
Gunsten fremder Unterthanen kein Repräsentationsrecht zustehe, er auch nicht ihre
Sache zu seiner eigenen machen könne. Unter bestimmten Verhältnissen sind indeß
R. Zzu Gunsten Fremder als zulässig erkannt worden, namentlich von de Witt,
dann wenn der gewährende Souverän mit dem des Fremden ex pacto vel foedere
zum Schutz ihrer resp. Unterthanen verbunden war; von Moser, IKK. II. 521)
gegen das dem Feinde alliirte Land; von Martens (V.R., § 256 vot. a) für
die Schweizerkantons auf Grund ihrer Vereinigung; von Heffter (§ 110),
Wurm (463) und Burchardi (509) für den Deutschen Bund, unter Berufung
auf Art. XXXVII. der Wiener Schlußacte, wenn der durch R. zu unterstützende
Bundesstaat im Rechte war. Gleiche Befugniß wird auch von Burchardi rücksichtlich
der Nordamerikanischen Republik (505) behauptet, indeß hat nur der Kongreß, nicht
der einzelne Staat, Erlaubniß zu R. zu ertheilen (Verf. der Vereinigten Staaten
vom 17. Sept. 1787 art. I. sect. 8) und kann überhaupt den Gliedern eines
Bundesstaates, welche ihrer äußeren Souveränetät zu Gunsten der Gesammtvertretung
entsagt haben, nicht ein Attribut der äußeren Souveränetät zugebilligt werden. Bei
dem anderen von Burchardi (506) erwähnten Fall: den vorübergehenden Allianzen,
müßte jedenfalls zunächst nur der durch eine Rechtswidrigkeit direkt betroffene Staat,
der mit ihm vertragsmäßig verbundene aber erst dann zur R.übung zu schreiten be-
rechtigt sein, wenn dem ersteren die R.übung gegen den gegnerischen Staat faktisch
unmöglich war, also nur eventuell und in subsicium. Nicht jede Allianzenspezies
wird aber eine solche R.rechtsvertretung involviren, sondern nur Verträge, welche die
gegenfeitige Unterstützung zur Bewahrung der rechtlichen Stellung der verschiedenen
Staaten festsetzen, hier im Friedensstande also namentlich Garantieverträge. Wenn
aber schon „wegen allgemeiner Verletzung des Völkerrechts, um einem unmenschlichen,
absolut rechtswidrigen Verfahren ein Ziel zu setzen“ (Heffter, l. c.), R. zu Gunsten
dritter Staaten berechtigt sein sollen, oder wegen jeder Rechtsverletzung, sei das ver-
letzte Recht ein vertragsmäßig oder natürlich zuständiges (Wurm, 459) oder all-
gemein wegen Völkerrechtsbruchs (Burchardi, 500), so würde daraus ein bellum
omnium contra omnes in Form von R. entstehen. Auch in Bezug auf Beleidigungen
eines Staates sind R. kein passendes Sühnemittel, wenn Das auch nicht, wie
Phillimore, III. 12 apodiktisch verkündet, ein anerkanntes Gesetz ausspricht. —
Die am meisten anerkannte Veranlassung zu R. ist die Justizverweigerung und
Justizverzögerung (Bartol., qu. 1;1 Bynkershoek, au. iur. publ. 1. c.; Wolff,
§589; Wildmann, I. 194; Wheaton, I. 276; Heffter, § 110) oder auch,
insbesondere nach Nordamerikanischer Praxis, die Nichtbezahlung einer Schuld durch
Fremde an Staatsangehörige (Kent, I. 69 not. b). Die Justizverweigerung wird
für begründet erachtet, wenn man gegen einen Verbrecher oder Schuldner innerhalb
einer angemessenen Frist kein Urtheil erlangen kann (Groot, § V), die Weigerung
muß offenbar (palam denegata iustitia) sein (Bynkershoek, l. c.), die causa
vera (Bartol., qu. 4: „alias iniuria“), die res minime dubia, denn in einer
zweifelhaften ist die Präsumtion für den Richter (Groot, 1. c.; Vattel, § 350;