Repressalien. 445
Wheaton, I. 276; Wildmann, I. 197 und 198; Kent, I. 69; Philli-
more, III. 14) aber nicht minima (Phillimore, III. 15): „non debet represal.
remedium dari pro modico“ — „per praedictam iniustitiam ius partis totaliter
laedatur secus si laedatur aliqualiter", Bartol., qu. 2. Eine zu R. Anlaß
gebende Schuldforderung muß klar und liquid sein (Vattel, § 343; Wurm, 477).
Bei einem erlangten, aber offenbar ungerechten, Urtheil eine Justizverweigerung für
konstatirt zu halten (Groot, 1. c.; Vattel, § 350), vermögen wir nicht, weil, wenn
Recht gesprochen ist, die Ungerechtigkeit meist nicht eben so offenbar zu erweisen sein
wird. — Vor der Anwendung der R. müssen schon nach Bestimmung früherer Ver-
träge (Martens, V.R., § 96 und Armat., I. § 4) gütliche Versuche angewandt
worden sein (Moser, VIII. 501; |X. II. 524), falls, was wol selten erforderlich
sein wird, die Rechtsverletzung nicht sofort einer Reaktion bedarf (Heffter, I. c.);
insbesondere muß rechtliche Genugthuung verlangt werden (Vattel, § 343;
Wildmann, I. 194; Oppenheim, 226; Twiß, II. 20). Zur Genug-
thuungserlangung ist eine diplomatische Vorstellung durch den in dem verletzt
habenden Staat residirenden Gesandten des verletzten an den ersteren zu richten und
wird diese innerhalb einer bestimmten Frist, nach Verträgen des 17. und 18. Jahrh.
bald 3, bald 4, bald 6 Monate (Bynkershoek, l. c.; Wildmann, I. 197;
Manning, 108 ff.; Phillimore, III. 16), nicht beantwortet, so sind R.
anwendbar (Wildmann, I. 195; Wurm, I. c.). Unterliegt der Beschwerde-
gegenstand einer gerichtlichen Untersuchung, so muß zunächst der Weg des ordent-
lichen Prozesses beschritten werden (was England in dem Pacificofall 1850 versäumte,
indem es statt den Beschädigten dazu zu veranlassen, sofort an die Griechische
Regierung eine willkürlich berechnete Schadensersatzforderung richtete und als diese
nicht gewährt wurde, zu R. schritt, welches abnorme Verfahren vom Oberhause
mißbilligt, vom Unterhause nur in Verbindung mit der gesammten diplomatischen
Aktion des Ministeriums nicht getadelt wurde [Phillimore, III. 29|), und die
nachgesuchte Justiz sowol durch alle Instanzen, als auch endlich durch die Staats-
gewalt verweigert sein (Wildmann, I. 197; Phillimore, III. 15; s. dagegen
Bartol., gqu. sec.). Auch muß eine plena causae cognitio erfolgen (Bynkers-
hoek, l. c.; Phillimore, III. 14) und der die R. fordernde Libellus dem Ge-
sandten des verletzt habenden Staates vorgelegt werden zur Prüfung und eventuell
zur Veranlassung der Genugthuung (Bynkershoek, Bartol., qu. 2: „debet
actor offerre libellum, quando causa requirit libellum"). Dem gegnerischen Staat
ist Vertheidigung gegen die R.forderung gewährt, damit die R. nicht indebite ver-
hängt werden (Bartol., qu. 4). Daß vor der Anwendung der R. mit ihnen
gedroht werde (Moser, IX., II. 525), ist wol ein obsoleter usus. — Der Haupt-
grundsatz, auf welchen die R. zurückgeführt werden, ist Vergeltung mit derselben
oder einer ähnlichen (Oppenheim (227] hält zur Erwiederung im Allgemeinen
feindselige Handlungen für statthaft), aber nicht beträchtlicheren als die veranlassende
Handlung (Moser, XII., II. 526). Die vergeltende darf aber nicht an sich völker-
rechtlich unstatthaft sein, z. B. der Mord oder die Mißhandlung eines Gesandten
oder ein Zuwiderhandeln gegen gültige Verträge nicht in gleicher Weise erwiedert
werden (Groot, II., XVIII. 8§ VII.; Martens, V.R., § 253 not. a); Oppen-
heim (227 ff.) meint dagegen, daß Unrecht mit Unrecht erwiedert werden dürfe,
das hieße aber das Unrecht sanktioniren. Gegen repressalienmäßige Mißhandlung
von Gesandten ist sowol Groot (I. c.) als Byonkershoek (D. foro legat., XXII.
§ III.), der Letztere will aber mit Versagung der gesandtschaftlichen Privilegien
vergelten. Nach Moser (IX., II. 527) sind auch Gegen-R. üblich. In Ausübung
der R. kommt am häufigsten in Anwendung die Beschlagnahme von Sachen und
Forderungen des verletzt habenden Theiles, welche sich im Machtbereich des verletzten
befinden, seltener, namentlich in neuerer Zeit, die Verhaftung von Personen (Wild-
mann, 1. 187; Wheaton, I. 275; Heffter, 1. c.; Burchardi, 507), noch