Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Rücktritt vom Vertrage. 493 
steht. Daher sind die wichtigsten dieser Fälle hier zusammenzustellen, obwol die 
in jedem eintretenden Wirkungen durchaus nicht gleichartig und nicht auf gemein- 
same Regeln zurückzuführen sind. 
Gesetzlich hat das Recht zum R. wegen bloßer Willensänderung jede Partei 
bei Mandat und Societas (s. diese Art.), ferner der Verkäufer wegen laesio 
enormis (s. diesen Art.), der Käufer wegen heimlicher Mängel der Sache (s. die 
Art. Kauf und Wandlungsklage), ebenso unter bestimmten Voraussetzungen 
der Vermiether und der Miether (s. den Art. Miethe), der Schenker wegen Un- 
danks des Beschenkten (s. den Art. Schenkung), endlich jeder, der ohne Rechts- 
grund eine Leistung gemacht und dadurch den Empfänger bereichert hat (s. darüber 
Wendt, Reuerecht und Gebundenheit, Heft 1 Erl. 1878). Nach Windscheid's 
Lehre soll der R. in den meisten dieser Fälle auf die „ermangelnde Voraussetzung“ 
zurückzuführen und diese überhaupt als Grund zum R. anzuerkennen sein. Jedoch 
erscheint diese Lehre als dem Röm. Recht nicht entsprechend. Abweichend von diesem 
hat jedoch das Preuß. Allg. LR. I. 5 §§ 377— 384 ein Recht zum R. „wegen 
veränderter Umstände“ eingeführt (vgl. darüber Dernburg, II. § 100). Nach Ge- 
meinem Recht ist auch Nichterfüllung des Vertrages von Seiten des Gegners kein 
allgemeiner Grund zum R.; das Preuß. Recht dagegen giebt bei Verträgen, deren 
Hauptgegenstand Handlungen sind, dem auf diese letzteren Berechtigten die Befugniß 
zum R. aus dem Grunde, daß der Gegner jene nicht gehörig geleistet habe oder 
leisten könne (Allg. LR. I. 5 8§ 480 ff. und dazu Dernburg, II. § 26), außer- 
dem auch noch ähnliche, besonders geregelte Rechte bei einzelnen Verträgen, wie 
Werkverdingung, Gesindemiethe u. s. w. Noch weiter gehend bestimmt der code 
civil art. 1194, daß bei allen zweiseitigen Verträgen wegen Nichterfüllung durch 
den einen Theil der andere die Wahl hat, Erfüllung zu beanspruchen oder vom Ver- 
trage zurückzutreten und Schadensersatz zu verlangen. Nach diesem Vorgang hat 
auch das HG#B. beim Kauf jedem Theil wegen Verzugs des andern das Recht ein- 
geräumt, zwischen drei Wegen zu wählen, insbesondere auch vom Vertrage abzugehen, 
gleich als ob derselbe nicht geschlossen wäre (Art. 354 — 359). Ueber R. beim 
Frachtvertrage s. Art. 394. Endlich ist auch wegen Konkurses, in den der Miether 
oder Pächter verfällt, wenn die Uebergabe der Sache noch nicht erfolgt war, dem 
andern Theil ein Recht zum R. gewährt (KO. 8§ 18). — Vertragsmäßig kann einer 
Partei der R. aus jedem beliebigen Grunde vorbehalten werden. Hauptbeispiele 
bilden das pactum displicentiae, die addictio in diem und die lex 
commissoria. Ueber die letzteren beiden vgl. die betreffenden Art. Durch das 
pactum displicentiae (besser poenitentiae, Reuevertrag) wird einer Partei der R. 
aus reinem Belieben gestattet, und zwar im Zweifel derart, daß die Erklärung 
desselben auf das Geschäft wie eine erfüllte Resolutivbedingung wirken soll (I. 3 D. 
d. c. E. 18, 1; 1. 6 D. resc. vend. 18, 5). Danach erlischt mit dem R. das 
aus dem Vertrage entsprungene Rechtsverhältniß von selbst und mit ihm alle auf 
Grund desselben über die Sache getroffenen Verfügungen mit Ausnahme derjenigen, 
welche von dem Zurücktretenden selbst herrühren, weil für diesen keine Gebundenheit 
zum R. bestand (1. 3 D. quib. mod. pign. 20, 6; vgl. Windscheid, Lehrb., II. 
§ 323, A. 6; anders Karlowa, Rechtsgeschäft, S. 99). Auch eine Rückwirkung 
tritt insofern ein, als die Nutzungen der Zwischenzeit dem Rückfallsberechtigten heraus- 
gegeben werden müssen (I. 4 § 4; 1. 6 pr. D. de in diem add. 18, 2). Eine 
Frist zur Erklärung des R. ist gesetzlich nicht bestimmt, denn 1. 31 § 22 D. de 
daed. ed. 21, 1 setzt eine vertragsmäßige Bezugnahme auf das Edikt voraus; sie 
kann vom Richter frei bemessen werden (Seuffert, Archiv XXVIII. Nr. 131). Der 
Reuevertrag kommt zwar in den Quellen nur beim Kauf vor, wo er, wenn zu 
Gunsten des Käufers vereinbart, mit dem Probekauf ((. diesen Art.) zusammen- 
fällt (vgl. auch Fitting in Goldschmidt' Zeitschr. f. d. ges. H.R. V. S. 113). Er 
kann aber auch anderen Kontrakten beigefügt werden. Desgleichen ist es möglich,
	        
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