Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Sachverständige. 515 
Wetzell verwerfen. — Bei dieser Sachlage wird nichts übrig bleiben, als die 
Motive bei Seite zu setzen und durch Wiederaufnahme des Unterschiedes von wahr- 
nehmenden und urtheilenden S. der gesetzlichen Doppelauffassung der S. als Be- 
weismittel und als Richtergehülfen Sinn und Verstand zu geben. Zu baeachten ist 
jedoch dabei, daß nach der Fassung des Gesetzes die aus der Gehülfentheorie aus- 
drücklich aufgenommenen Konsequenzen auch auf die als Beweismittel zu betrachtenden 
S. angewendet werden müssen. 
IV. Das Detail der Lehre, für welches die Italienische Praxis Hauptquelle im 
Gemeinen Prozeß war (Strippelmann, S. 33 ff.), umfaßt insbesondere die 
Fragen der Offizialbeiziehung, der Wahl und Bestimmung, der Instruktion, Be- 
eidigung und Vernehmung der S., der Bedeutung ihres Gutachtens für Parteien 
und Gericht. — Die erste Frage würde an sich dahin zu beantworten sein, daß die 
wahrnehmenden S., weil sie Beweismittel sind, der Beweis im Civ.Prz. aber prin- 
zipiell der Verhandlungsmaxime unterstellt werden muß (Wendt, Archiv. f. d. 
civ. Prx. LXIII. S. 261 ff.), ausschließlich von den Parteien durch Beweisantretung, 
daß dagegen die urtheilenden S. als Richtergehülfen ausschließlich vom Richter in 
den Prozeß einzuführen wären. Neigte jedoch schon die ältere Theorie und Praxis 
dahin, hier die Verhandlungsmaxime zu durchbrechen (Obermeyer, S. 41), so 
hat die Deutsche CPO. § 135 (ebenso Oesterr. Entw. § 215 i. f.) das Recht des 
Richters, S. ex offieio beizuziehen für jede Lage des Prozesses ohne Unterscheidung 
von wahrnehmenden und urtheilenden S. schlechtweg anerkannt, in Entmündigungs- 
sachen überdies eine richterliche Pflicht der Zuziehung statuirt (§§ 598, 599, 612). 
Von einer Beweisantretung durch S. (Deutsche CPO. S. 368; vgl. § 392 Oesterr. 
Entw.) kann daneben nur bei wahrnehmenden S. die Rede sein; der Antrag der 
Parteien auf Zuziehung urtheilender S. ist nur „Anregung einer von Amtswegen 
zu bethätigenden Maßregel“ (Seuffert, Kommentar zu § 368). — Die Aus- 
wahl und Bestimmung der Zahl der S. ist sodann von der Deutschen CPO. 8 369 
(Oesterr. Entw. § 393) unterschiedslos in die Hände des Gerichts gelegt. Das Gesetz 
hat dadurch der gemischten Theorie gegenüber, welche die wahrnehmenden S. durch 
Benennung einer gleichen Zahl seitens der beiden Parteien aufstellen läßt (Mitter- 
maier, S. 128), die Gehülfentheorie konsequenter als Wetzell selbst durchgeführt, 
welcher den schon von Rivinus gemachten, von Doktrin, Praxis und Gesetzgebung 
vielfach adoptirten Kompromißvorschlag sich zu eigen gemacht hat, „wonach beide 
Parteien gesondert in gleicher Zahl ihre S. benennen, der Richter aber einen Ob- 
mann dazu thun soll“ (Wetzell, § 44 N. 22; Obermeyer, S. 101 N. 38 ff.). 
Doch bindet es das freie richterliche Ermessen nach zwei Seiten: das Gericht soll, 
wenn für gewisse Arten von Gutachten S. öffentlich bestellt sind (vgl. z. B. Ref. 
vom 11. Juni 1870, betr. das Urheberrecht an Schriftwerken § 31; RGes. vom 
11. Jan. 1876, betr. das Urheberrecht an Mustern § 14; Res. vom 10. Jan. 
1876, betr. den Schutz der Photographien § 10 u. s. w.), sich regelmäßig an diese 
halten. Hat nun diese Beschränkung auch vom Standpunkte der Deutschen CPO. 
aus nichts Auffallendes, so steht dagegen mit demselben in schroffstem Widerspruch 
die Vorschrift des § 369 Abs. 4 (die denn auch der Oesterr. Entw. richtig ver- 
mieden hat), wonach das Gericht an die durch Vereinbarung der Parteien bestimmten 
Personen gebunden ist. Diese, gleich der vorigen durch die Reichstagskommission in's 
Gesetz ausgenommene Bestimmung wurde als eine Konsequenz der Verhandlungsmaxime 
beantragt und gebilligt (Kommissionsprotokolle, S. 141). Allein diese hat eben mit 
dem ganzen Standpunkt der Deutschen CPO. nichts zu thun. — Die viel bestrittene 
Frage, ob und inwieweit ein S.-Zwang zu statuiren sei (vgl. Hannov. Protok. VII. 
S. 2332 ff.), — welche für das Gem. Recht, insbesondere mit Hinweis darauf, daß 
für einen solchen kein Bedürfniß existire, und daß er undurchführbar sei, überwiegend 
verneint (vgl. die Citate bei Renaud, § 149 N. 32; Obermeyer, S. 123 
N. 48 und 49); dagegen insbesondere von Wetzell (vgl. außerdem die bei Renaud, 
33
	        
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