518 Sachverstuͤndige.
noch die Motive zur Deutschen StrafPO. —[S. 59) bezeichnen, ohne damit sich der
hierdurch gewöhnlich ausgedrückten Auffassung anschließen zu wollen, da nur be—
gründet werden soll, daß der Richter die S. zu wählen habe) oder, was richtiger
und deutlicher ist, ihren Spruch nicht als ein Beweismaterial, sondern als einen
technischen Richterspruch aufzufassen, eine Tendenz, die in dem Vorkommen ständig
bestellter S., in der Ueberkragung der Funktionen derselben an sachverständige
Kollegien u. dgl. Unterstützung fand. Im Gegensatz hierzu wurde wieder anderswo,
zum Theil selbst in Frankreich, ganz besonders aber in England, der Eigenart der
Stellung des S. beweises unter den Beweismitteln nicht genügend Rechnung getragen,
indem man die S. lediglich als Zeugen und dann gewöhnlich als ausgesprochene
Belastungs= oder Entlastungszeugen behandelt.
Die Eigenart der Stellung der S. und damit ihre prozessualische Stellung be-
ruht aber auf Folgendem:
1) Der gewöhnliche Zeuge ist durch die Ereignisse und Vorfälle gegeben, welche
er wahrzunehmen, meist zufällig und fast niemals durch gerichtliche Veranstaltung,
in die Lage gekommen ist; er kann je nach dem Stande der Sache durch andere
Personen, welche in derselben Lage waren, kontrolirt, widerlegt, bestätigt und selbst
ersetzt werden, aber auch diese Personen sind gegeben und können nicht ausgewählt
werden. Dagegen wird der S., so weit er über Wahrnehmungen auszusagen hat,
eigens berufen, damit er diese Wahrnehmungen mache. Die S. können ausgewählt
werden, und zwar unter ihre Unbefangenheit möglichst verbürgenden Umständen, die
Zeugen sind gegeben. Auch auf einen bedenklichen Zeugen kann man nicht verzichten,
ohne unersetzliche Mittel der Aufklärung zu verlieren; der S. kann in der Regel
leicht ersetzt werden.
2) Der Zeuge ist sich im Augenblick, wo er den Gegenstand seiner späteren
Aussage wahrnimmt, in der Regel dessen nicht bewußt, daß er darüber ein Zeugniß
abzulegen haben werde, während beim S. schon die Wahrnehmung unter den Ge-
sichtspunkt einer berufsmäßigen und zielbewußten Thätigkeit, der Beobachtung und
Untersuchung, fällt.
3) Der Zeuge soll über nackte Thatsachen aussagen, die er wahrgenommen hat,
und sich darauf beschränken. Dies ist zwar nicht unbedingt zu erreichen; unsere
Erlebnisse haften in uns selbst schon in der Gestalt von Urtheilen. Allein wenn
der Zeuge unter den vor Gericht an ihn gestellten Fragen diese Urtheile wieder auf
ihre Elemente zurückgeführt und dieselben dem Gerichte dargelegt hat, ist letzteres
auch vollkommen in der Lage, sich an seine Stelle zu setzen und unter Anwendung
der allgemeinen Denkgesetze und Lebenserfahrungen jene Urtheile zu überprüfen.
Dies ist beim S. schon, soweit es sich um die Wiedergabe seiner Wahrnehmungen
handelt, nicht der Fall; er hat eine besondere Befähigung zur Beobachtung und
Untersuchung, seine Beschreibungen des unmittelbar Wahrgenommenen enthalten be-
reits die Anwendung fachwissenschaftlicher Kategorien, sie bilden Urtheile, die der
Richter nicht ohne sachverständige Beihülfe in ihre Elemente auflösen und deren
Elemente, auch wenn sie aufgelöst vor ihm liegen, er nicht unmittelbar verwerthen
kann.
4) Kann der Richter manchmal in den Fall kommen, den Zeugen um die
Folgerungen zu fragen, welche er aus seinen Wahrnehmungen zog, so wird dies
seinen Grund nur darin haben, weil dies oft allein die Möglichkeit bietet, die
Wahrnehmungen selbst wieder aufleben zu machen und den Zeugen zu deren Wieder-
gabe zu bringen. Dagegen soll der S. in der Regel die Folgerungen aus seinen
Wahrnehmungen ziehen und dem Richter darlegen, und zwar durch Anwendung der
ihm allein, nicht aber dem Richter bekannten allgemein gültigen Gesetze seiner Wissen-
schaft oder Kunst auf den konkreten Fall. In beiden Fällen muß der Richter in
die Lage gebracht werden, die Richtigkeit der Folgerung zu prüfen; allein während er
vom Zeugen nur in Bezug auf die Wiedergabe der Wahrnehmungen abhängig ist, muß