Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Schändung. 537 
Esgb. u. Lit.: Preuß. Allg. LR. Th. I. Tit. 22 §§ 146—169. — Hagemann, Hand- 
buch des Lanrwirthschastsrächts (hemr. 1807), §§ 310—315. — Scholz III., Das Schäferei- 
recht, Braunschw. 1837. — Büff, Das Schäfereirecht, Cassel 1863. Steinacker, Braunschw. 
Privatrecht, . 198. — Reyscher, Gem. und Württemb. Privatrecht, II. § 299. — Stobbe, 
Privatrecht, II. S. 201 ff. — Seuffert' #s Archiv XVI. Nr. 196, 197. Lewis. 
Schändung. Doktrin und Gesetzgebung verstehen darunter den außerehelichen 
Beischlaf mit einer unmündigen oder geisteskranken Frauensperson oder mit einer 
solchen, die sich ohne Zuthun des Thäters im Zustande der Wehr= oder Bewußt- 
losigkeit befindet, die unfreiwillige Schwächung, stuprum non voluntarium nec 
violentum. Die Gesetzbücher für Braunschweig, Hannover, Oesterreich nennen 
dieses Verbrechen, im Unterschiede von der Nothzucht und Unzucht, S. Es kommt 
darauf an, ob der Zustand der Bewußtlosigkeit oder Willenlosigkeit vorgefunden 
oder von dem Thäter herbeigeführt wurde, um den Beischlaf begehen zu können. 
Zwei Fälle (RStrafGB. § 176): gewaltsame Vornahme unzüchtiger Handlungen 
an einer Frauensperson und Mißbrauch einer willenlosen, bewußtlosen, geistes- 
kranken Frauensperson zum außerehelichen Beischlafe. Erster Fall, in Absicht auf 
Beischlaf gesetzt, geht in versuchte Nothzucht über. Die Strafgesetznovelle von 1876 
hat das Erforderniß eines Antrages gestrichen in Uebereinstimmung mit § 191 des 
Oesterr. Strafgesetzentwurfs von 1874, dieses Verbrechen heißt, im Unterschiede von 
der Nothzucht und Unzucht, S. Von einer Strafverfolgung der S. ist nicht die Rede, 
wenn der Thäter Grund zur Annahme hatte, daß der an einer Schlafenden, Trun- 
kenen unternommene außereheliche Beischlaf nicht ihrem Willen entgegen sei und die 
Zustimmung nachher wirklich erfolgt ist. Anders verhält es sich mit den Unmün- 
digen und Geisteskranken, die rechtlich keine gültige Einwilligung geben können und 
deren noch nicht zur Reife gediehene oder krankhaft gehemmte Widerstandskraft gegen 
Versuchungen zu unzüchtigen Handlungen selbst gegen ihr Verlangen im Interesse 
der geschlechtlichen Sittlichkeit durch das Gesetz geschützt wird. Nicht blos der Ge- 
schlechtsehre wegen, auch um der Abstumpfung des Schamgefühles und der physischen 
Nachtheile willen wirkt das Strafgesetz dem Geschlechtsverkehre mit den genannten 
Personen entgegen, von der Erwägung geleitet und durch moralstatistische Daten 
darin bestärkt, daß durch S. die Moralität wie die Freiheit verletzt und die Gesund- 
heit nicht selten untergraben werde. 
Mit Zuchthaus bis zu zwanzig Jahren bedrohte daher Preußen denjenigen, der 
eine in einem willenlosen Zustande befindliche Person zu einer auf Befriedigung des 
Geschlechtstriebes gerichteten unzüchtigen Handlung mißbraucht, mit Personen unter 
vierzehn Jahren unzüchtige Handlungen vornimmt oder dieselben zur Verübung oder 
Duldung unzüchtiger Handlungen verleitet. Weniger vag bezeichneten die Straf- 
gesetze für Sachsen, Oesterreich, Braunschweig, Bayern u. a. den Thatbestand dieses 
Verbrechens, zumal der Mißbrauch zum außerehelichen Beischlaf und nicht blos 
willenloser oder bewußtloser, sondern auch wehrloser Frauenspersonen als Gegen- 
stände des Verbrechens bezeichnet werden. Bei dem Mißbrauche unmündiger Per- 
sonen zu geschlechtlichen Zwecken begründet die Qualität der Geschändeten nicht 
weniger wie bei erwachsenen Frauenspersonen einen wesentlichen Strafänderungs- 
grund. Ist das der Geschlechtsreife nahestehende Mädchen bereits so unglücklich, der 
Prostitution verfallen zu sein, dann darf es zwar der Geschlechtsgier nicht straflos 
preisgegeben werden, allein die Strafbarkeit des Thäters ist eine ungleich geringere, 
als die des Verführers eines unschuldigen Mädchens und läßt sich daher die an- 
gedrohte Zuchthausstrafe nicht in allen Fällen rechtfertigen. Gegenstand des Ver- 
brechens kann auch eine Person üblen Leumundes und männlichen Geschlechtes sein. 
Es kommt weder auf die Beischlafsfähigkeit noch auf die geschlechtliche Reinheit an, 
immer aber auf das Wissen des Thäters von dem im Gesetze vorausgesetzten Zu- 
stande der Wehr= oder Bewußtlosigkeit, der Unmündigkeit, oder der Geisteskrankheit. 
Unrichtig ist es, den Umstand als gleichgültig anzusehen, ob der Thäter den wehr-
	        
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