Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

546 Schiedseid. 
doch andererseits dieselbe verdächtigt; läßt überdies unerklärt, warum von ihrem 
Standpunkt aus der deferirte und angenommene oder referirte Eid doch unter allen 
Umständen (vom Erlaß abgesehen) muß ausgeschworen werden; und übersieht endlich, 
wenn sie sich für die Leugnung der Beweismittelqualität darauf beruft, daß dem 
Richter die Prüfung der Glaubwürdigkeit des Eides entzogen sei, daß dies auch bei 
dem von ihr als Beweiemittel anerkannten richterlichen Eid (s. diesen Art.) der 
Fall ist, obgleich doch dem Richter etwa in Folge der mündlichen Schlußverhand- 
lung (Deutsche CPO. § 258) auch hier das Beschworene als unglaubwürdig sich 
darstellen könnte; daß nicht minder auch rücksichtlich des Beweismittels der Urkunden 
die freie richterliche Ueberzeugung theilweise durch Beweisregeln vinkulirt ist (§8 380 ff., 
§§ 150, 285, 405 Abs. 2 u. a. m.). In der That ist der S. schon vom Röm. Recht 
als Beweismittel anerkannt (val. besonders 1. 5 § 2, 1. 35 D. 12, 2), als solches auch 
von der Theorie überwiegend betrachtet (vgl. die bei Strippelmann, S. 48, 
N. 51—53 Cit.; dazu noch Wetzell, S. 286; Renaud, § 132); und nunmehr 
„der heutigen Rechtsanschauung entsprechend“ (Mot. zum Deutschen Entw. v. 1874, 
S. 504), auch von der Deutschen CPO. bezeichnet und behandelt (II. 1 Tit. 10 
„Beweis durch Eid“; § 416 „Antretung des Beweises“; §8 418, 419 Eid und 
„andere Beweismittel“; 88§ 426, 324, 558 „Beweisbeschluß"; 8§ 428, 429 
Wirkung „vollen Beweises“ u. s. w.). Lediglich contra rationem juris („aus 
Zweckmäßigkeitsgründen“: Mot. 1. c.) wurde von der Deutschen CPO. in einzelnen 
Punkten, wie hinsichtlich der gemeinrechtlich höchst kontroversen Frage der Delation 
an Meineidige (vgl. Renaud, § 133 zu N. 21 ff.; Mot. zu § 398 des Deutschen 
Entwurfs v. 1874, S. 505; Deutsche CPO. 88 422, 432 und gegen den Standpunkt 
der Deutschen CPO. Strippelmann, S. 192), sowie hinsichtlich des prinzipiellen 
Ausschlusses eines Widerrufs der Zuschiebung resp. der Annahme und der Zurück- 
schiebung (Mot. cit. zu §§ 403—406, S. 507), dem Gesichtspunkt der sog. Ver- 
gleichsnatur des Eides Einfluß gestattet. — Die Subsidiarität des Eides (val. den 
Art. Eid) verlangt, daß die Eidesdelation zwar nicht blos beim Mangel anderer 
Beweismittel benützt (Savigny, VII. S. 89; Strippelmann, S. 351), aber 
neben anderen Beweismitteln jedenfalls nur für den Fall der Resultatlosigkeit der- 
selben gebraucht werde. Die „eventuelle Eidesdelation“, deren Zulassung, wenn 
der S. ein Beweismittel nicht ist, ein Verstoß gegen den Satz actore non probante 
reus absolvitur wäre, ist, häufig angefochten (Strippelmann, S. 348), par- 
tikularrechtlich namentlich in Sachsen (Wetzell, § 27 N. 45; Renaud, § 132 
N. 8) und in Braunschweig (Mot. cit. S. 506) unstatthaft, und auch im Nord- 
deutschen Entw. § 613 Absf. 1 ausdrücklich ausgeschlossen, von der Deutschen CPO. 
§ 418 für zulässig resp. nothwendig erklärt, zugleich aber die Subsidiarität des 
Eides dahin ausgedehnt, daß der S., wenn immer andere Beweismittel, sei es 
vom Deferenten oder Delaten, geltend gemacht werden, diesen nachzustehen. 
habe. Hierdurch ist nicht nur dem Deferenten gestattet, unter der Voraussetzung 
der Geltendmachung anderer Beweismittel jederzeit bis zum bedingten Endurtheil 
E 425), resp. bis zur Eidesleistung (§ 426), auch nach erfolgter Annahme oder 
Relation seitens des Delaten seine Delation wieder zurückzunehmen; sondern auch 
dem Delaten die Möglichkeit gegeben, von seiner Annahme oder Relation wieder 
abzugehen und zu anderen Beweismitteln zu greifen (vgl. dazu auch § 419 Abf. 2). 
Die in der Gewissensvertretung durch Beweis (probatio pro exoneranda conscientia, 
vgl. die Literatur über dieselbe bei Renaud, § 136 N.-) im Gem. Recht dem 
Delaten eingeräumte beschränktere Befugniß, der Erklärung über Annahme oder 
Zurückschiebung des S. wenigstens vorläufig durch Antretung anderweiten Beweises 
über die von ihm zu beschwörende Thatsache auszuweichen, ist durch die Erweiterung 
ihres Grundgedankens, „daß eine Partei hinsichtlich des von ihr vollständig Be- 
wiesenen nicht weiter mit einem Eid belästigt werden dürfe“ (Renaud, § 136 zu 
N. 4), in § 418 cit. absorbirt; die Bezeichnung „Gewissensvertretung“ für dies
	        
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