Schiedsspruch. 555
mittler; im 14. und 15. Jahrhundert sind Schiedssprüche weltlicher Fürsten häufig
(Pütter, Beitr. zur Völkerrechtsgesch., 1843; 111, 112, 159 und 160, 179 ff.).
Die aus der Mitte des 13. Jahrhundert stammenden „Austräge“ der Genossen des
Deutschen Herrenstandes vereinbarten schiedsrichterliche Entscheidung ihrer Streitig-
keiten durch unparteiische Standesgenossen. Ihrem Beispiele folgten Kurfürsten,
Fürsten und Fürstenmäßige. Reichsstädte wurden zu Austrägen privilegirt. Die
Rheinbundsacte (Art. XXVIII.) bezeichnet irrthümlich als „Austräge“ das Recht der
fürstlichen und gräflichen Landesherren und ihrer Erben, in Kriminalsachen von
Standesgenossen gerichtet zu werden, Streitigkeiten der Bundesglieder unter einander
einer (nie verwirklichten) Bundesversammlung vorbehaltend. Nach Art. 11 der
Deutschen Bundesacte vom 8. Juni 1815 haben die Bundesglieder ihre Streitig-
keiten bei der Bundesversammlung anzubringen, nach fehlgeschlagener Vermittelung
unterliegen sie einer allendlich entscheidenden Austrägalinstanz. Der Bundesbeschluß
vom 30. Oktober 1834 setzte ein Schiedsgericht auch für Streitigkeiten der
Bundesglieder unter einander fest (Jordan in Weiske's Rechtslex. 1839 I. 474 ff.
s. V. Austräge; v. Leonhardi, Das Austrägalverf. des Deutschen Bundes, 1838).
Die Verf. des Norddeutschen Bundes vom 16. April 1867 bestimmt in Art. 76:
„Streitigkeiten nicht privatrechtlicher Natur zwischen verschiedenen Bundesstaaten
werden auf Anrufen des einen Theils vom Bundesrath erledigt.“ Fast gleichlautend
ist die Bestimmung in der Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April 1871,
Art. 76. Nach der Revision der Schweizerischen Bundesverfassung vom 31. Jan.
1874 urtheilt das Bundesgericht über civilrechtliche Streitigkeiten zwischen
dem Bunde und den Staaten, den Kantonen unter sich und zwischen beiden und
Privaten sowie Korporationen andererseits (Art. 110); über staatsrechtliche
zwischen Kantonen und über Beschwerden von Privaten wegen Verletzung von Kon-
kordaten und Staatsverträgen (Art. 113) und mit Zuziehung von Geschworenen,
welche über die Thatfrage absprechen, üUber Verbrechen und Vergehen gegen
das Völkerrecht, während der Bundesrath die schiedsrichterlichen Sprüche über
Streitigkeiten zwischen Kantonen zu vollziehen hat. Streitigkeiten der Vereinigten
Staaten von Nordamerika unter einander entscheidet der Kongreß (Verfassung vom
4. Okt. 1776 Art. XIV. und Verfassung vom 9. Juli 1788 Art. IX. § 2). Der S.
vereinigter Staaten, insbesondere von Bundesstaaten, wird mehr einen „staatsrichter-
lichen“ (Heffter, 109) Charakter haben; wo bestimmte, nicht für den einzelnen
Fall gewählte Schiedsinstanzen fungiren, werden diese den Charakter von schieds-
richterlichen verlieren (Welcker, 110). — Eine Pflicht der Staaten zur friedlichen
Entscheidung, somit auch zur schiedsrichterlichen, ihrer Streitigkeiten ist im Allgemeinen
anzuerkennen, wenn auch unter Umständen kein dritter Staat sich willig finden lassen
kann zur Uebernahme des S. oder dazu gualifizirt erscheint, oder im einzelnen Fall
ein streitender Staat das fragliche Recht für zu wichtig hält oder sich nicht für
berechtigt, dasselbe einem S. zu unterwerfen (Phillimore, III. 3). Die wesent-
lichste Vorbedingung eines Schiedsgerichts ist das Kompromiß (1. 11 §8§ 1 u. 3
D. 4, 8), ein Vertrag zwischen den Parteien, sich einem S. zu unterwerfen.
Inhalt des Kompromisses wird der zu entscheidende Gegenstand (1I. 21 § 6 D. 4, 8)
und kann der Schiedsrichter nur über diesen und, insoweit es im Kompromiß fest-
gesetzt ist, entscheiden (1. 32 § 15 D. ibid.). Hat der Schiedsrichter aus Versehen
über einen kompromittirten Gegenstand nicht entschieden, so kann die Entscheidung
über denselben nachgefordert werden (I1. 43 D. ibid.). Außer dem Streitgegenstande
müssen auch die Prätensionen und Forderungen der Parteien in Bezug auf denselben
in das Kompromiß ausgenommen werden (Vattel, II. XVIII. § 329) und die
Art der Entscheidungsnormen, namentlich ob nach Recht oder Billigkeit zu entscheiden
sei. Wenn das Recht im Zweifel (Groot, III. XX. 47; Pufendorf, V. XIII.
§ 5) oder überhaupt stets (Berner, 102) die Entscheidungsnorm abgeben soll, so
werden bei der Lückenhaftigkeit oder mangelnden Gewißheit der geltenden völkerrecht-