556 Schiedsspruch.
lichen Bestimmungen viele Streitigkeiten unentschieden bleiben müssen; und wenn
auch im völkerrechtlichen S. über die wahren Rechte der streitenden Theile entschieden
wird und dieselben nicht wie im Vergleichswege theilweise aufgegeben werden (Welcker,
1. c.), so bedingt doch dieser Gegenstand noch nicht, daß Billigkeit ausgeschlossen
bleibt, wie denn auch von anderer Seite (Pufendorf, l. c. § 4; Heffter, l. c.)
Recht und Billigkeit als Entscheidungsnormen statuirt sind. Ungültig ist aber ein
Kompromiß, in welchem dem Richter, was er entscheiden soll, vorgeschrieben ist
(I. 19 pr. D. ibid.). Das Civilrecht unterscheidet von dem compromissum das
receptum als den Vertrag der Parteien mit dem Schiedsrichter, vermöge dessen der
letztere die Verpflichtung übernimmt, den Streit nach Inhalt des Kompromisses zu
entscheiden (I. 3 § 2 D. ibid. und die Ueberschrift dieses Titels). Im Völkerrecht
wird die Aufforderung und Annahme diplomatisch vermittelt (s. Martens, Guid.
dipl., I. 19, 3 not. 2). Ist die Annahme erfolgt, so wird nicht blos der Beginn,
sondern auch die Fortführung der schiedsrichterlichen Funktion, als aus der Annahme
folgend, erscheinen und ist daher die Bemerkung Phillimore's (III. 4), daß
kein Zwang zur Fortführung bestehe, nicht zutreffend. Daß Niemand Schiedsrichter
in eigener Sache sein könne (I. 51 D. ibid.), erscheint selbstverständlich. Gewählt
werden können zu Schiedsrichtern entweder Staaten, und zwar sowol monarchische
als republikanische (England und Portugal forderten noch in neuester Zeit den Ham-
burger Senat zur Entscheidung über Ansprüche Britischer Kaufleute an die Portugiesische
Regierung auf, Twiß, II. 10), oder Souveräne (insoweit Frauen zur Thronfolge
zugelassen sind, auch diese, weshalb im Völkerrecht 1. 6 C. 2, 55 nicht Anwendung
erleidet), oder Gerichtshöfe (Klüber, § 318 not. a; Twiß, 1l. c.), Rechts-
fakultäten (die zu Bologna entschied wiederholt Streitigkeiten Italienischer Staaten,
Twiß, l. c.), oder einzelne Privatpersonen, wie angesehene Staatsmänner, rechts-
gelehrte Kommissarien (Klüber, I. c.), Rechtslehrer, namentlich Staats= und
Völkerrechtslehrer. Souveräne können sich vertreten lassen ((□Martens, Guid.
dipl., 1. c.), ob sie den allendlichen Ausspruch selbst thun (Heffter, lI. c.) oder
ihn nur verkünden (Berner, I. c.), ist gleichgültig, da sie ihn meist nicht selbst
abfassen werden. Privatpersonen können sich nicht vertreten lassen, da sie nur ihrer
persönlichen Eigenschaften wegen gewählt sind (I. 45 D. ibid.). Von den civilrecht-
lichen Entscheidungsgründen rücksichtlich der Uebernahme eines Schiedsamtes kommt
die Anrüchigkeit nicht in Betracht, da Parteien einen Anrüchigen nicht wählen werden,
während Feindschaft zwischen dem Schiedsrichter und einer Partei für die andere ein
Rekusationsgrund sein wird, vorgerücktes Alter aber, Krankheit, Beschäftigung im
Staatsamt oder in eigenen Angelegenheiten und eine dringende Reise, soweit diese
Gründe die Uebernahme des schiedsrichterlichen Amtes absolut unmöglich machen,
eine Privatperson entschuldigen werden (vgl. 1. 7, 1. 9 § 3 I. 15 D.). Staaten
oder Souveränen, welche vorzugsweise als Glieder oder Vertreter der internationalen
Gemeinschaft zur Uebernahme eines solchen Amtes verpflichtet erscheinen und sich
vertreten lassen können, werden diese Gründe nicht zur Seite stehen. Sind mehrere
Schiedsrichter gewählt, so müssen alle mit einander nach Stimmenmehrheit (I. 17
§ 7 und I. 27 § 3 D. ibid.) entscheiden (1. 17 § 2 D. ibid.). Bei Stimmengleich-
heit wählen oder genehmigen die Parteien den etwa von dem Schiedsrichter vor-
geschlagenen Obmann (Phillimore, III. 4); richterliche Nöthigung der Schieds-
richter zu dieser Wahl kann im Völkerrecht nicht stattfinden (I. 17 § 6 D. ibid.).
Geurtheilt wird nur über zur Zeit des Kompromißabschlusses vorhandene Streitig-
keiten (I. 46 D. ibid.) und nach Groot (III. XX. § 48) de principali negotio
nicht de possessione, damit die dem S. unterliegende Sache in statu quo bleibe,
indeß muß der Richter behufs der Beweisauflage feststellen, wer der rechtmäßige
Besitzer ist (Pufendorf, 1. c. § 6); das Civilrecht (I. 32 § 20 D. ibid.) ver-
pflichtet den Schiedsrichter, auch darüber zu entscheiden, auf welche Weise eine vacus
possessio Jemand gegeben werden soll. Die Parteien haben sich an dem im Kom-