Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Schiedsspruch. 563 
lich, daß ein wirklicher Richterspruch, und zwar dritter Unbetheiligter, stattfindet. 
Die Kommissionen erscheinen verwandt der von Dudley Field art. 534 propo- 
nirten High Commission. — Aus den angeführten Fällen ergiebt sich: 1) daß 
mehrere Schiedssprüche erst eine lange Zeit nach dem Entstehen der Differenz oder 
nach der vertragsmäßigen Uebereinkunft zur Provozirung auf dieselben gefällt und 
manche nicht oder erst später durch neue Verträge realisirt sind, so daß das Institut 
des S. noch vielfach langsam, unsicher und nicht inappellabel funktionirt; 2) daß 
die Schiedsrichter meist Souveräne waren oder Staatshäupter, wie die Präsidenten 
von Republiken, wenn auch die Ausarbeitung Richtern und Beamten übertragen 
wurde und bei dem Alabamastreit diese selbst die Schiedsrichter waren; 3) daß die 
Schiedssprüche entweder streitige Territorien oder Grenzen derselben, oder Reklama- 
tionen wegen Verletzung von Privaten oder Schadensersatz zu Gunsten derselben be- 
treffen; die allerwichtigsten Differenzen von Staat zu Staat sind aber noch immer 
durch Kriege erledigt worden; 4) am häufigsten haben auf Schiedssprüche kompro= 
mittirt außereuropäische Staaten, insbesondere die Vereinigten Staaten von Nord- 
amerika, und häufiger von europäischen nur England, aber meist auch mit außer- 
europäischen. — Der Nutzen der Schiedssprüche ist daher bisher noch ein beschränkter 
und relativer und sind sehr wichtige Fragen für die weitere Verbreitung die: 
1) „Welche Arten von Streitigkeiten können einem Sch. unterworfen werden?“ Wir 
sind nicht der Ansicht Lorimer's (Rev. d. dr. internat. VI. 171), daß keine genaue 
Festsetzung derselben möglich wäre, wir halten sie vielmehr zur regelmäßigen Wirk- 
samkeit des Instituts für unerläßlich und wollen nicht die Fälle, in welchen dasselbe 
angewandt wird, in das freie Ermessen blos der streitenden Staaten stellen. Eben- 
sowenig stimmen wir mit Calvo überein, welcher (I. 790) die Fälle, bei welchen 
die Ehre oder nationale Würde direkt betheiligt sind, ausschließen will, während 
Lord Stafford Northrcote gerade solche für entscheidbar durch S. hält 
(Laveleye, 191). Wir glauben vielmehr, daß möglichst wenige Arten von Streitig- 
keiten dem S. zu entziehen sind und daß für diese dann nicht sofort die gewalt- 
same Entscheidung durch Krieg einzutreten hat, sondern demselben entgegenzuwirken 
ist, entweder durch Vermittlung oder bons offices eines dritten oder mehrerer 
unbetheiligter Staaten. Wir sind deshalb nicht gegen jeden Krieg, aber dafür, daß er 
möglichst selten eintrete und daß die Staaten durch das Völkerrecht dazu verpflichtet 
werden, ehe sie zu demselben übergehen, sich der Rechtsmittel des gütlichen Ver- 
fahrens zu bedienen und daß sie sich durch allgemeine Verträge, zunächst, soweit 
solche nicht zu erreichen sind, durch besondere dazu verpflichten, nicht blos, wie 
auf dem Pariser Kongreß in dem viel allegirten Protokoll geschehen, es für wünschens- 
werth halten. — 2) „Wem ist die Entscheidung oder vielmehr die Ausarbeitung 
derselben zu übertragen?" Entschieden nur guten Kennern des Völkerrechts und 
nicht solchen Personen, welche sich ad hoc erst im Völkerrecht umsehen oder instruiren. 
Die Staatshäupter sind nur ihrer Machtstellung wegen berufen, der S. selbst aber 
erfordert Rechtskenntniß, welche keineswegs allen Diplomaten eigen ist, aber in 
Bezug auf das Völkerrecht ebensowenig jedem Richter oder jedem Juristen. 3) „Nach 
welchen Prinzipien ist zu entscheiden?“ Diese Frage haben wir schon oben ent- 
schieden: nach Recht und Billigkeit. Nie aber nach politischen Prinzipien, die oft 
so viel als politische Rücksichten sein werden, denn der S. ist ein Rechts spruch. 
Sehr richtig sagt Lucas (Bullet. de la société d. amis d. l. paix, Paris 1873, 
2 sér. No. 2): „1II faut qdue T’arbitrage soit soumis à son tour à la loi du 
juste et qu'’il ne puisse en transgresser les principes fondamentaux.“ Daß für 
sämmtliche Entscheidungen das materielle Völkerrecht sowol als das formelle 
(Prozeßrecht oder Recht für das Verfahren) vorliege, ist zwar vielseitig gewünscht, 
indeß ist deshalb nicht die Anwendung der Schiedssprüche bis zur vollendeten 
Kodifikation im ganzen Umfange und der Anerkennung derselben durch die Staaten 
hinaus zu schieben. Jedenfalls werden aber die Reglements für das Verfahren eher 
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