Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

590 Schöffengericht. 
1) Die Schöffen haben an gewissen Sachen keinen Theil: an Forst= und 
Rügesachen, soweit dies Landesgesetze anordnen (E. zur StrafP O. § 3), an Sachen, 
welche durch amtesrichterliche oder polizeiliche Strafverfügung (wegen unterbliebenen 
Einspruchs oder Antrages auf gerichtliche Entscheidung) ihre Erledigung finden, endlich an 
Uebertretungsfällen, wenn der Beschuldigte bei der Vorführung vor dem Amtsrichter 
die ihm zur Last gelegte That eingesteht (Strafp O. § 211, Abs. 2). 
2) Die Schöffen haben keinen Theil an denjenigen einzelnen Entscheidungen, 
welche nicht während der Hauptverhandlung ergehen; diese werden vom Amts- 
richter allein gefällt (GVG. § 30). Von besonderer Wichtigkeit sind hier diejenigen 
Entscheidungen, welche die Eröffnung des Hauptverfahrens, die Vollstreckung des 
Urtheils und der Wiederaufnahme des Verfahrens zum Gegenstande haben. Die 
Abgrenzung wird hier wenig Schwierigkeiten machen, ausgenommen in solchen Fällen, 
wo bei Beginn der Verhandlung so lange noch zweifelhaft ist, ob dieser bereits ein- 
getreten, eine Entscheidung nöthig ist. Insoweit nach allgemeinen Grundsätzen vor 
der Hauptverhandlung gefällte Entscheidungen in derfelben geändert werden können, 
gilt dies auch im S. — Aber auch umgekehrt wird dem Amtsrichter das Recht 
vindizirt (Löwe, GVG. § 31, Nr. 9), Beschlüsse des Gerichtes, welche nach der 
Hauptverhandlung zurückgenommen oder geändert werden können, allein abzuändern, 
z. B. über Strafen gegen ausgebliebene Zeugen. Der Amtsrichter entscheidet allein 
über Ausschließung und Ablehnung der Schöffen (Strafp# O. § 31), also auch, wenn 
die Nothwendigkeit hierfür sich in der Hauptverhandlung ergiebt; in diesem Falle 
wird er wol auch allein über die Aussetzung des Verfahrens entscheiden müssen. — 
Ferner wird wol anzunehmen sein, daß er diejenigen Funktionen, die bei Haupt- 
verhandlungen vor der Strafkammer dem Vorsitzenden allein zukommen, ohne Mit- 
wirkung der Schöffen zu üben hat. Dagegen liegt es im Wortlaut des Gesetzes 
(v. Schwarze, GVG. § 28, Nr. 3 scheint anderer Meinung), daß die vom Gesetze 
dem „Gerichte" übertragenen Entscheidungen (z. B. über Handhabung der Sitzungs- 
polizei) oder dem Vorsitzenden nicht vorbehaltene (z. B. GV. § 176, Abs. 1), 
wenn sie in der Hauptverhandlung erfolgen sollen, auch den Schöffen zukommen. — 
Innerhalb dieser Grenzen sind die Schöffen durchaus als Richter, als Mitglieder 
eines Richterkollegiums anzufehen. 
II. Die Formation des S. beruht auf der Zusammensetzung aus einem 
Amtsrichter und zwei Schöffen. Das Schöffenamt ist ein Ehrenamt und giebt 
nur Anspruch auf Vergütung der Reisekosten (GVG. §8§ 31, 55). Das Gesetz for- 
dert, daß der Schöffe ein Deutscher sei, erklärt gewisse Personen für unfähig hierzu 
wegen Schmälerung ihrer Rechtsfähigkeit (GVG. 8§ 32), schließt Andere in minder 
scharfer Weise aus, indem es erklärt, daß sie nicht zum Schöffenamt berufen werden 
sollen (GVG. § 33 — wegen Mangels des erforderlichen Alters, eines fixen Wohn- 
sitzes, der körperlichen oder geistigen Eigenschaften, der nöthigen Unabhängigkeit, § 34 
daselbst wegen ihrer anderweitigen Verwendung im böffentlichen Dienst) und giebt 
gewissen Personen das Recht, das Schöffenamt abzulehnen (GVG. § 35, besonders 
bemerkenswerth: „Personen, welche glaubhaft machen können, daß sie den mit der 
Ausübung des Amtes verbundenen Aufwand zu tragen nicht vermögen"). Die Ur- 
listen werden alljährlich in der Gemeinde angefertigt (GVG. §§ 36 — 38), vom 
Amterichter geprüft und richtig gestellt (GVG. § 39) und von einem alljährlich 
unter seinem Vorsitz zusammentretenden Ausschuß gewählter Vertrauensmänner auf 
die Jahresliste in der Art reduzirt, daß in diese 1) die erforderliche Zahl von 
Schöffen, 2) die erforderliche Zahl von dem Sitz des Amtsgerichtes oder in dessen 
nächster Nähe wohnhafte Hülfsschöffen (s. diesen Art.) ausgenommen wird (GG. 
§§ 40—44). Ueber die Heranziehung der einzelnen Schöffen zu den ordentlichen und 
außerordentlichen Gerichtstagen entscheidet das Loos; doch kann auf Antrag der bethei- 
ligten Schöffen eine Aenderung der Reihefolge vor Bestimmung der zu verhandelnden
	        
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