Schöffengericht. 593
3. Den Umfang der Beweisaufnahme „bestimmt das Gericht, ohne hierbei
durch Anträge, Verzicht oder frühere Beschlüsse gebunden zu sein“ (StrafP O.
§ 244 Abfs. 2).
4. Im Falle der Klageänderung unterliegt die sonst obligatorische Aus-
setzung des Verfahrens dem Ermessen des Gerichtes (Strafp O. § 264 Abf. 5).
5. Erklärt sich das S. unzuständig, so bedarf der Grundsatz, daß dieser
Beschluß „die Wirkung eines das Hauptverfahren eröffnenden Beschlusses hat“", hier
einer Korrektur wegen der summarischen Natur der Hauptverhandlung vor dem S.:
Es kann der Angeklagte innerhalb einer ihm zu bestimmenden Frist die Vornahme
einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung beantragen, über welchen An-
trag der Vorsitzende des Gerichtes, an welches die Sache verwiesen wird, entscheidet
(StrasP O. § 270).
6. Das Sitzungsprotokoll muß hier mehr als sonst enthalten, nämlich
„die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in der Hauptverhandlung“ (Straf-
PO. 8 273 Abf. 2).
7. Zu le ist ferner die Unzulässigkeit der Beschlagnahme des Ver-
mögens des abwesenden Beschuldigten (Strafp# O. § 332 Abf. 2).
8. Die wichtigste Eigenthümlichkeit des S. verfahrens ist die Zulassung der
Berufung gegen die Urtheile der S., welche gegen den ursprünglichen Vorschlag
der Regierungen erfolgte und in dieser Gattung von Strafsachen allein eine
seberprisung des ganzen Urtheils durch eine höhere Instanz ermöglicht (StrafP O.
g 354 ff.).
9. In gewissen Fällen treten nicht unerhebliche Abweichungen vom nor—
malen Verfahren ein. Dies ist der Fall: bei den besonders summarisch zu be—
handelnden Sachen, die der mehrfach erwähnte § 211 der Straf PO. bezeichnet, bei
der auf Grund amtsrichterlicher oder polizeilicher Strafverfügungen ein-
zuleitenden Procedur (Straf PO. 88 447 ff., 453 ff.). Andererseits aber übt auch
die besondere Natur der Sachen, welche durch fakultative Ueberweisung an das S.
gelangen, Einfluß auf das ihrethalb einzuhaltende Verfahren. So werden z. B.
diese Vergehen bezüglich der nothwendigen Vertheidigung den „zur Zuständigkeit der
S. gehörigen“ Sachen gleichgestellt (StrafP O. § 140 „zu verhandeln sind“). Es
entfällt also durch die Zuweisung an das S. die Nothwendigkeit der Bestel-
lung eines Vertheidigers für Angeschuldigte, welche taub oder stumm sind oder das
16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. (Sehr bestritten; f. die u. angef. Schrift
von Voitus.) Der Umstand, daß der Fall erst durch die Ueberweisung ein schöffen-
gerichtlicher wird, übt auch auf die Zulässigkeit der Voruntersuchung und auf die
Fassung der Anklageschrift Einfluß; letztere kann allerdings in Erwartung des Ueber-
weisungsbeschlusses schon die einfachere Form erhalten, muß dann aber eventuell,
wenn dieser Beschluß nicht erfolgt, umgearbeitet werden. Auch auf die Zulässigkeit
der Unzuständigkeitserklärung des S. übt dieses Verhältniß Einfluß (vgl. insbef.
Löwe, StrafP O. § 270 Nr. 5).
Gsgb. u. Lit.: Die im Texte angeführten Gesetzesstellen und die nach Garagraphen
geeen gummeniar zu den bezüglichen Gesetzen von v. Schwarze, Löwe
oitus, Dalcke, Keller, v. Bomhard u. Koller, Pucheltu. Dreyer. w6 chilo
Der Reichsstrafprozeß (3. Aufl. 1880), S. 19 ff., 42 fl. 273 ff., 299 ff. — v. Bar, Systematit
des Deutschen Strafprozeßrechts dlBerlin 1878), S. 109 ff. — v. Schwarze, Erörterungen
praktisch wichtiger Materien a. d. Deutschen Etrafprrozehrecht, Heft I. Eeiva 1680) S. 1—19;
Derselbe in v. Holtzendorff' 3 Handb. II. S. 545 ff., 557 ff., 561 ff., 579 ff. —Geyer,
Lehrbuch des Gem. Deutschen Strafprozeßrechte (1880), §§ 57—61, 74, 236 ff., 258 ff. —
Binding, Grundriß (1881), § 50. — Voitus, Kontroversen betr. die Straf##O. und
das GWG. (Lindau u. Leipzig 28 I. S. 53 ff., 102 ff., 125— 1399 Derselbe, Handbuch
für S. (Berl. 1879). — Kochs, Der S se im Deutschen Reiche, 2. Aufl. (Berl. 1879). —
H. Seuffert, Erörterungen über die der- er Schöffengerichte und Schwurgerichte aus dem
Deutschen 6BG. Breslau 1879 (s. d Anz. dieser drei Schriften im Gerichtssaal XXX I.
S. 455 ff.). — Genzmer, Das Verfahren des Amtsanwaltes, 1879. — C. v. Wolf, Der
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon III. 3. Aufl. 38