596 Schriftlichkeit der Willenserklärungen.
redung der Parteien, welche vor oder nach der Perfektion des Geschäfts getroffen ist
und regelmäßig im ersteren Falle die Gültigkeit, im zweiten nur die Beweisbarkeit
bezwecken soll.
Verträge, welche vor der Vollziehung der S. geschlossen sind (Vorverträge),
haben in den Fällen sub 1 und 2 gar keine Bedeutung und können — was allerdings
sehr bestritten ist — in dem Falle sub 1 nicht einmal durch Verabredung einer
Konventionalstrafe indirekt gesichert werden; diese ist vielmehr bei Nr. 2 angebracht,
während bei Nr. 3 aus dem pactum de contrahendo auf Nachholung der S. ge-
klagt werden kann. Hierüber herrschen indessen viele Meinungsverschiedenheiten.
Vgl. den Art. Punktation und die unten citirte Abhandlung von Regels-
berger.
Die einseitige Erfüllung vermag den Mangel der S. niemals zu heilen; sie
gewährt nur eine condictio ob causam datorum, bzw. eine condictio indebiti auf
Zurückgabe des Geleisteten. Der Empfänger kann diese Kondiktionen nicht einmal
dadurch abwenden, daß er sich zur Gegenleistung erbietet. Die zweifeitige Erfüllung
genügt nur bei Nr. 2 und 3. Geschah bei Nr. 2 die Erfüllung mangelhaft, so wird.
meines Erachtens aber auch keine direkte Klage auf genügende Leistung gegeben (bzw.
auf die Ansprüche aus dolus und culpa des Gegners), sondern es ist auch in
diesem Falle eine condictio zulässig, wodurch die von Stobbe gerügte Un-
billigkeit (Deutsches Priv. R., Bd. III. § 173 Anm. 24) ausgeglichen werden
dürfte.
Die Art und Weifse, in welcher die S. zum Ausdruck kommt, ist eine sehr
verschiedene: es genügt entweder jede schriftliche Fixirung des Parteiwillens, oder
es wird eine förmliche Urkunde, eine Reinschrift (mundum) erfordert, welche von
beiden Theilen vollzogen sein muß (sehr bestritten ist im Gemeinen Recht die Be-
deutung der 1. 17 C. de fide instr. 4, 21), oder es tritt gerichtliche, notarielle
Mitwirkung oder Zuziehung von Zeugen ein; in fiskalischem Interesse ist oft die
Benutzung von Stempelpapier vorgeschrieben, wobei zu unterscheiden, ob die Nicht-
benutzung Ungültigkeit der Erklärung oder nur Strafe nach sich zieht; endlich sind
manchmal gewisse Worte (Wortformeln) unumgänglich, z. B. „Wechsel“. In die
Schriftform soll die Willenserklärung ihrem ganzen Inhalt nach ausgenommen wer-
den. Mündliche Nebenabreden haben, wenn die S. gesetzlich vorgeschrieben.
ist, keine Bedeutung, sie sind ungültig, bzw. unklagbar, bzw. unbeweisbar. Bei
verabredeter S. entscheidet hierüber lediglich der Vertragswille der Kontrahenten.
In der allerweitesten Bedeutung endlich kommt die S. einer Willenserklärung
im modernen Recht da zur Anwendung, wo sie nicht nur für die Entstehung, son-
dern auch für die Fortdauer des Rechtsverhältnisses wesentlich ist. Bei diefen sog.
Skriptur-Obligationen ist das Recht in der Schriftform gleichsam ver-
körpert, unlöslich mit ihr verbunden, so bei dem Wechsel und anderen Inhaber-
papieren im weiteren Sinne. (Vgl. den Art. Inhaberpapiere.) Mit der S.
erlischt prinzipiell das Recht selbst, indessen sind vor diesem Grundsatz erhebliche
Ausnahmen gemacht worden durch das Institut der Amortisation ((. diefen Art.).
Unter den einzelnen positiven Rechten kam in dem alten Röm. Recht die S.
zur Anwendung in der literarum obligatio, und zwar war sie bei dieser wesentlich
zur Entstehung des Vertragsverhältnisses. In den ersten Jahrhunderten der Kaiser-
zeit kam die streng formale literarum obligatio außer Gebrauch und wurde ganz
durch die Stipulation ersetzt, bei welcher man dann bald ein schriftliches Empfangs-
bekenntniß (cautio, syngrapha, chirographa — die letzten Namen deuten den grie-
chischen Ursprung an) mit Angabe des Schuldgrundes zu erfordern pflegte. Endlich
trat die Schrift vollständig an die Stelle des gesprochenen Wortes, welches bei ihrem
Vorhandensein präsumirt wurde. (Vgl. Gneist, Formelle Verträge, 1845 und
Padelletti, Röm. Rechtsgeschichte, übers. von v. Holtzendorff, Kap. 47.)
Das Gemeine Recht — jedenfalls beeinflußt durch neuere Deutsch-rechtliche An-