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598 Schriftvergleichung.
Das Französische Recht hat die S. zum Zwecke der Beweisbarkeit bei
allen Verträgen über Gegenstände, welche die Summe von 150 Franken übersteigen,
vorgeschrieben und damit den Zeugenbeweis hierfür ausgeschlossen (Code civil art.
1341—1348). Ebenso im Badischen LR. (Art. 1341), wo die Summe auf 75 Gul-
den normirt ist. Diese Vorschrift ist publici juris, so daß nicht einmal die Gegen-
partei andere Beweismittel zulassen kann. Der Zeugenbeweis ist sogar über Neben-
abreden nicht zugelassen. Die ganze Bestimmung ist vom fünften Deutschen Juristentage
mit Recht für unzweckmäßig erklärt worden.
Nach dem Sächs. BGB. erfordern Willenserklärungen und Verträge in der
Regel keine besondere Form. Bei Nichtbeobachtung einer vorgeschriebenen Form ist
das Rechtsgeschäft nichtig, auch wenn dies nicht besonders ausgesprochen ist (B##.
§§ 100 und 821). S. ist nöthig bei Verträgen über Grundeigenthum (§ 822),
bei Schenkungen eines Betrages über 1000 Thaler oder wiederkehrender Leistungen
auf unbestimmte Zeit von jährlich mehr als 50 Thalern (Erklärung zu gerichtlichem
Protokoll oder gerichtliche Bestätigung) und mannigfach bei letztwilligen Verfügungen
(6§ 2070, 2071, 2098, 2104). — BVgl. auch § 44 des RMil. Ges. vom 2. Mai 1874
(R.G.Bl. S. 45).
Lit.: Die Pandektenlehrbücher von Reller. 88 53 Sht und Windscheid, § 312.—
Re gelsberger, Erörterungen, S. 134— — Thö §§ 240—244. — Stobbe,
elns Privatrecht, Bd. III. § 173 Nr. II 3 ff. — , Theorie und Praxis, Bd. I.
§§ 79 ff. — Dernburzt #hrbuch, §§ 95 ff. — Bornemann, Erörterungen im Gebiete
des Preuß. Rechts, S. 144 ff. — Mepe Die Schrift in ihrer Bedeutung nach Preuß.
Recht. — Franz, Ueber das System S. der Verträge nach Preuß. Allgem. LR., in
Gruchot! 3 Beiträgen Bd. XIII. S. 75 ff — Unger, System des Oesterr. ridatrechts,
86. — Zachariä, Franzöfs. Giiilrect, Bd. IV. S. 758. — Verhandlungen des zehnten
Deutschen Maursete (1872) Bd. I. S. 59 ff. und 112 54 2. II. S. 26 ff. — Seuffert's
Archiv I. 9 19: VII. 199; VIII. 350; X. 242, 248; XII. 259; XIII. 152, 216;
XV. 12, 13; XVI. 29, 102; XVII. 125, 148, 162; XVIII. 223; XIX. 23: XX. 11 , 11,
144, 216, 2|1, 272; XNXI. 80. 109, 214, 215, 262; XX . 295; XXXX. 144. Keil.
Schriftvergleichung (comparatio literarum), d. h. die Vergleichung der
Handschrift einer ihrer Echtheit nach zweifelhaften oder bestrittenen Urkunde mit
anderen Schriftstücken des muthmaßlichen Verfassers, um dadurch den Beweis der
Echtheit oder Unechtheit zu liefern. Die S. kann sowol im Civil-, wie auch im
Straf Prz. vorkommen, und sie erfolgt unter Zuziehung von Schriftverständigen,
wobei nach den Regeln des Sachverständigenbeweises verfahren wird. Die aus Miß-
trauen gegen Fälschungen erlassenen Bestimmungen der Nov. 49. c. 2 und Nov. 73
führten in der kanonistisch-romanischen Theorie des Mittelalters zu einem künstlichen
System von Regeln über diese Art des Beweises. Als Hauptgrundsatz wurde der
aufgestellt, daß die S. allein nicht voll beweisen, vielmehr nur halben Beweis
(probatio semiplena) schaffen sollte. Diese Regel hat man im Gem. Prz. ebenfalls
noch festgehalten, wenngleich man sonst die mittelalterliche Theorie vereinfacht hat.
Auf demselben Standpunkt standen die Preuß. Allgem. Ger. O. von 1793 Th. I. Tit.
13 §§ 10 ff. und die Hannov. Prz O. § 335, welche letztere ausdrücklich selbst
für den günstigsten Ausfall des Gutachtens der Sachverständigen noch die Auferlegung
eines Ergänzungseides vorschrieb. So genaue Vorschriften dagegen auch der Code de
proc. art. 195—210 über die zur vVérification des 6critures par experts geeigneten
Schriftstücke und der dabei zu beobachtenden Prozedur giebt, so wenig schränkt er
doch das Ermessen des Richters bei der Prüfung des Resultates des Verfahrens ein.
Denselben Standpunkt haben die Deutsche CPO. und StrafP O. gemäß des in
ihnen adoptirten Prinzips der freien Beweiswürdigung angenommen.
Quellen: Deutsche CPO. §§ 406, 407; Straf P. § 93.
Lit.: Goldschmidt, Abhandlungen, S. 101 ff. — Gensler u. Klüpfel im Archip
für Seioil- Praxis Bd. II. S. 318 ff., 333 ff. — Ortloff, Jurist. Abhandlungen, Bd. 1
2 ff. P. Hinschius.