608 Schulbauten, Schulbeiträge, Schulgeld.
System überwiegende soziale Gründe für sich hat. In den Großstädten ist die
Aufhebung der Schulgelder bereits die vorwiegende Regel. In ganzen Provinzen
und Regierungsbezirken Preußens, sowie in kleineren Deutschen Staaten ist dieselbe
Regel schon durchgeführt. Der Gesammtbeitrag der Schulgelder zu den Gesammt-
kosten des Unterrichts in Preußen (rund 72 Millionen Mark) betrug im Jahre
1876 nur noch 11 420 691 Mark. Der Gedanke der abstrakten „Gleichheit“ hatte
in der Französischen Revolution die Unentgeltlichkeit des Primärunterrichts sogar zu
einem gesellschaftlichen Postulat erhoben, und Nachklänge davon sind auch in der
Deutschen Gesetzgebung seit 1848 fühlbar geworden. Die Preuß. Verfassungsurkunde
spricht im Art. 25 den Grundsatz der „Unentgeltlichkeit“ aus, suspendirt indessen die
zwangsweise Durchführung bis zum Erlaß des noch nicht zu Stande gekommenen
allgemeinen Schulgesetzes. Unabhängig von sozialistischen Theorien haben sich indessen
in der Praxis unseres Gemeindelebens und unserer Volksschulverwaltung die Gründe
für die Unentgeltlichkeit im Ganzen als die überwiegenden geltend gemacht.
Einen schwierigen Incidentpunkt der Unterhaltungspflicht bildet endlich die
Schulbaulast. Während die bauliche Unterhaltung der Schulgebäude als Theil
der gewöhnlichen Schullast auch von den kleineren Gemeinden getragen werden kann,
veranlaßt ein Neubau nach den heute anerkannten Ansprüchen an ein gesundes
Schulhaus so ansehnliche Kosten, daß der Kleingemeinde nur die Wahl bleibt
zwischen der schwierigen Aufnahme eines Darlehns, oder einer Ueberbürdung der
Steuerzahler auf eine Reihe von Jahren. Die Preußische Verwaltung hat dem hier
vorhandenen Bedürfniß öfter nicht ohne große Härten Genüge leisten können. Es
tritt dazu eine weitere Verwickelung dadurch, daß die Gesetzgebung des XVIII. Jahr-
hunderts (öfter auch das Herkommen) den Gutsherrn zu erhöhten Beiträgen nach
Analogie der Baulasten des Kirchenpatrons herangezogen hat, und aus diesem Ver-
hältniß mannigfaltige Zweifel und Streitpunkte entstehen. Insbesondere tritt dies
ein, wo Gemeinden und Gutsbezirke oder eine Mehrheit von Kleingemeinden zu einem
„Schulverband“ zusammengefügt sind, in welchem dann wieder Streit über die
Beitragspflicht im Ganzen und im Einzelnen entsteht. Die Vornahme eines Neu-
baus gestaltet sich daher gewöhnlich zu einem weitläuftigen Unternehmen, welches
durch immer neue Streitpunkte sich unabsehbar hinzuziehen droht. Die Verwaltungs-
praxis und Gesetzgebung hat deshalb für diesen Fall ein sog. Interimisticum
geschaffen, in welchem die höhere Verwaltungsbehörde die Streitpunkte vorläufig
entscheidet, und die nothwendigen Anordnungen für die Ausführung des Baus trifft,
vorbehaltlich weiterer Rechtsmittel für die Betheiligten, jedoch ohne aufschiebende
Wirkung. In der gemeinrechtlichen Praxis wird dafür meistens der ordentliche
Rechtsweg gestattet nach Analogie streitiger Gemeindelasten, Patronatslasten u. dgl.
Die neueste Gesetzgebung über die Verwaltungsrechtspflege befaßt mit diesen Fragen
die Verwaltungsgerichte, die dafür besonders geeignet erscheinen, da es sich
in der That um oft sehr verwickelte öffentlich-rechtliche Verhältnisse handelt,
welche nicht aus dem alten System der kommunalen Nutzungen und Lasten, sondern
aus modernen Verwaltungsrechtsnormen entspringen. Werden die Streitigkeiten
über den Beitrag zu Gemeinde= und Schulabgaben überhaupt vor die Verwaltungs-
gerichte verwiesen, so ist es nur konsequent, auch die nur quantitativ verschiedene
Schulbaulast auf dieselben Wege zu verweisen. In Preußen war in einem Ueber-
gangsstadium der Gesetzgebung für den Schulbaustreit der „ordentliche Rechtsweg“
vorbehalten worden, unverkennbar nur aus dem Grunde, um für diesen schwersten
Theil der Schulunterhaltungspflicht ein rechtliches Gehör zu gewähren. Nach Ein-
führung der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit war keine Veranlassung mehr, die
ordentlichen Civilgerichte mit diesen Fragen zu befassen, außer in dem Fall, wo
eine Schulbaulast oder eine Befreiung davon aus einem ius speciali titulo acqui-
situm entspringt. Die neuesten Beschlüsse der gesetzgebenden Körper in Preußen