Seeprotest. 653
einem gesetzmäßigen Grunde seine Entlassung fordert, abgesehen von dem Fall, wo
das Schiff die Flagge wechselt, nur mit Genehmigung des S. den Dienst verlassen,
wie auch der Schiffer dieser Genehmigung zur Zurücklassung eines Schiffsmanns im
Auslande bedarf. Das S. hat die Beschwerde der Schiffsleute über Seeuntüchtigkeit
oder mangelhafte Verproviantirung des Schiffs zu prüfen und für geeignete Abhülfe
zu sorgen, falls die Beschwerde begründet ist. Es hat für die Beförderung des ihm
auszuhändigenden Nachlasses einer auf der Reise gestorbenen Person der Schiffs-
besatzung in die Heimath derselben, soweit dies möglich ist, Sorge zu tragen, und
speziell das S. des Heimathshafens die Aushändigung der Heuerbeträge, welche den
Personen der Besatzung eines verschollenen Schiffs gebühren, an die Empfangsberech-
tigten zu vermitteln. Dem S. liegt die Untersuchung und Entscheidung der durch
die Seemannsordn. ausgestellten Uebertretungen (im technischen Sinne des Straf G.)
der Schiffer und Schiffsleute (mit der selbstverständlichen Ausnahme der Fälle des
§ 83) ob, wobei jedoch dem Beschuldigten das Recht zusteht, gegen den Bescheid
auf gerichtliche Entscheidung anzutragen. Das S. hat im Inlande die nach der
Anmusterung über den Antritt oder die Fortsetzung des Dienstes zwischen Schiffer
und Schiffsmann entstandenen Streitigkeiten zu entscheiden, eine Entscheidung, die
vorläufig vollstrechkar ist. Im Auslande, wo dem Schiffsmann (abgesehen vom
Fall der Geltendmachung der Forderungen aus den Dienst= und Heuerverträgen bei
einem Zwangsverkauf des Schiffs) das Nachsuchen gerichtlicher Hülfe gegen den
Schiffer untersagt ist, hat das S. auf Anrufen des ersteren in den Fällen, die keinen
Aufschub leiden, eine vorläufig für beide Theile bindende Entscheidung zu treffen.
In gleicher Weise hat das S., vor welchem abgemustert wird, über den Anspruch
des Schiffsmanns zu befinden, welcher eine Vergütung wegen ungerechtfertigter Ver-
kürzung bei der Beköstigung seitens des Schiffers verlangt. In allen diesen Fällen
ist jedoch der Rechtsweg vorbehalten. Endlich hat das S. die gütliche Ausgleichung
der zu seiner Kenntniß gelangenden Streitigkeiten zwischen Schiffer und Schiffsmann
zu versuchen.
Als S. fungiren innerhalb der Grenzen des Deutschen Reichs die Musterungs-
behörden der einzelnen Bundesstaaten, im Auslande die Deutschen Konsuln. Die
Musterungsbehörden sind entweder besondere Behörden, die diese Bezeichnung, wie
in der Mehrzahl der Preußischen Häfen, oder die Bezeichnung S., wie in den
Hanfestädten und in Oldenburg führen; oder es sind die Obliegenheiten derselben
einer anderen Behörde übertragen, so in mehreren Hannöverschen und Schleswig-
Holsteinischen Häfen und in Mecklenburg. In den Hansestädten führt der Vorsteher
des S. den Titel Wasserschout.
Gsgb. u. Lit.: Deutsche Seemannsordnung vom 27. Dezember 1872, §§ 4 ff. 10—22,
29, 42, 46 ff., 52 ff., 64, 71, 101, 104—106. — Lewis, Deutsches Seerecht, I. S. 138 ff.
Lewis.
Seeprotest oder Verklarung (Franz.: rapport, Engl.: protest, Ital.:
consolato, protesto) ist die vor einer Behörde abgelegte Aussage des
Schiffers und der Mannschaft über Unfälle auf der Reise, eine Art
Beweisaufnahme zum ewigen Gedächtnisse gegenüber der Rhederei, den
Ladungsinteressenten und den Assekuradeuren, gleichzeitig aber auch Rechenschafts-
ablage. Auf der einen Seite eine Vergünstigung im Vergleich mit den gewöhn-
lichen Regeln vom Beweise, ist der S. daher andererseits eine Verpflichtung
des Schiffers, eventuell des im Range nächsten Schiffsoffiziers, deren Erfüllung
zwar nicht Bedingung seiner Ansprüche an die Interessenten ist, deren Nichterfüllung
ihn aber nicht nur jener Beweiserleichterung beraubt, sondern auch für allen durch
den Mangel veranlaßten Schaden verantwortlich macht. Ein Protest in engerem
Sinne ist darin nur insofern enthalten, als der Schiffer in der Regel seine Verant-
wortlichkeit für den eingetretenen Unfall abzulehnen sucht. Indessen kommen hier