Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Seeraub. 655 
erstatten. Bei Schiffbruch ist der Bericht vor dem Richter des Orts oder in dessen 
Ermangelung vor einer anderen Civilobrigkeit zu erstatten und durch das Schiffs- 
volk zu bekräftigen, welches darüber vernommen wird. Auch Passagiere sollen 
vernommen werden, soweit es möglich ist. Außer dem Falle drohender Gefahr darf 
der Kapitän keine Waare ausladen, bevor er seinen Bericht erstattet hat, widrigen- 
falls er sich einer „poursuite extraordinaire“ aussetzt. In England wird der S. 
in der Regel vor einem Notar erklärt. 
Gsgb. u. Lit.: Allg. Deutsches HGB. Art. 490—493, 888 Ziff. 3. — Gesetz, betr. die 
Organisation der Bundeskonsulate 2c. vom 8. Novemb. 1867, §§ 36. 20. (B.G. Bl. S. 137) u. 
Dienstinstr. f. d. Konsuln des D. Reichs v. 6. Juni 1871. — Seemannsordnung vom 27. 
Dez. 1872, §§ 33, 55. — E. zur CPO. f. d. Deutsche Reich v. 30. Jan. 1877, § 13, Abfs. 
1 u. Abs. 2 Nr. 2 (R.G. Bl. S. 83). — Ges. über die Konsulargerichtsbarkeit v. 10. Juli 1879, 
55 12, 43 (R.G. Bl. S. 197). — Preuß. AE. zum Deutschen GVG. v. 24. April 1878, 
§5 25 Nr. 2 (Ges.-Samml. S. 230.) — Entsch. des ROH#. XVII. S. 346. — Code de comm. 
art. 242—248. — Lewis, das Deutsche Seerecht, I. S. 91—100, 147, 157. — Pöhls, 
Darstellung des Seerechts. Th. II. §§ 447—451 (S. 686—715.) — Jacobsen, S. 519, 
520. — Heise, H. R., S. 388—390. — v. Kaltenborn, Grunds. des praktischen Europ. 
Seerechts. I. § 66 (S. 172—176); II, §§ 166—168 (S. 129—130). — Busch, Archiv für 
N., XII. S. 471 ff. — Pardessus, Cours de droit commercial, Tome II. ur. 639, 
643, 648—650. R. Koch. 
Seeraub (Piraterie, piracy), ein Verbrechen, bestehend in dem räuberisch ge- 
waltsamen Angriff gegen Handelsschiffe auf hoher See. S. ist ein VBölkerrechts- 
verbrechen; der Seeräuber gilt als hostis generis humani und darf nicht nur von 
den Gerichtshöfen des Landes, dessen Flagge angegriffen wurde, sondern von jedem 
seefahrenden Staate zur Strafe gezogen werden. Auf frischer That überwältigt, 
darf der Seeräuber sofort vom Leben zum Tode gebracht werden. Der Thatbestand 
des völkerrechtswidrigen S. ist nicht überall gleichmäßig bestimmt. Streitig ist, ob 
(wie nach Engl. common law) gewinnsüchtige Absicht dem Angriffe zu Grunde liegen 
muß oder nicht? Die Mehrzahl der Neueren verneint. Oder ob die That auch 
von einer meuterischen Schiffsmannschaft gegen das eigene Schiff verübt werden 
kann? Jedenfalls können die von gültig bestellten Kapern verübten, gegen feind- 
liche oder bona fide gegen neutrale Handelsschiffe begangenen Gewaltakte nicht als 
S. betrachtet werden. Verschieden von dem VBölkerrechtsverbrechen des S. ist das in 
einzelnen Strafgesetzgebungen (namentlich in England und Nordamerika) vorkommende, 
besonders bedrohte Verbrechen des S. Die Abgrenzung des Thatbestandes dieser 
beiden Verbrechensgattungen kann aber zweifelhaft werden, z. B. wenn eine im Auf- 
stande befindliche, als „kriegführend“ von den Neutralen anerkannte Partei während 
des Bürgerkrieges den Handel zur See schädigt (wie während des amerikanischen 
Bürgerkrieges). Sklavenhandel soll nach den Gesetzen seefahrender Nationen und 
den zu seiner Unterdrückung abgeschlossenen Verträgen gleichfalls als S. angesehen 
werden; wo aber das Recht der Durchsuchung verdächtiger Schiffe auf hoher See 
der fremden Flagge versagt wird, kann auch die Bestrafung nach den für S. gelten- 
den Bestimmungen nicht praktisch werden. Auffallend ist im Vergleich zu anderen 
Gesetzgebungen, daß § 4 des Deutschen StrafGB. S. nicht unter den ausländischen 
Delikten erwähnt, die bestraft werden können. Handelsrechtlich kommt der S. unter 
den Fällen der großen Havarie zur Geltung. 
Gsgb.: Franz. Ges. vom 10. April 1825. Reglement vom 12. Nov. 1806 (bezügl. des 
Verfahrens vor den Tribunaux maritimes). — United States Laws IX. 175. — Sprague, 
Lav Reports, XXIV. 18, 18. — Proclamation of tbe United States President 19. April 
6 (U. S. Laws XII. App. for 1862 p. 2.) — England: V. Georg IV. c. 113; 1 Vict. 
c. 91 (bezüglich des Stlavehhandele)) 1 Vict. c. 88; 13 & Vict. c. 26 (bezüglich der Piraterie 
und der Belohnungen der Schiffsmannschaften wegen der gegen den S. geleisteten Dienste). 
Handelsrechtlich: Allg. Deutsches HGB. Art. 453, 630—636, 708. — Italien: 
Codice di mar. merc. A. 320. 
Lit.: Broglie, Sur la piraterie (in dessen Ecrits, III. 335). — Phillimore, lnternat. 
Lav, I. 394—406. — Wildmann, Internat. Law, II. 150. — Wheaton, lntern. Law, 
§5. 124. — Heffter, Völkerrecht, §5 10t. — Esperson, Diritto diplomatico, II. 2, 12. — 
Gareis, Das heutige Völkerrecht und der Menschenhandel, 1879. v. Holtzendorff.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.