Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

656 Seestraßenrecht — Seeversicherung. 
Seestraßenrecht (Rule of the road at sea, Thl. I. S. 546) bezeichnet den 
Inbegriff der internationalen Vorschriften, welche zur Verhütung von Schiffskolli- 
sionen gegeben sind. Die Aufstellung solcher Vorschriften ist durch die Thatsache 
veranlaßt, daß die Zahl der Seennfälle durch die Anwendung der Dampfkraft im 
Schiffsverkehr außerordentlich vermehrt worden ist. Vorangegangen ist in dieser 
Beziehung England. Man begann (und zwar seit dem Jahre 1846) mit der Auf- 
stellung gewisser Regeln über das Ausweichen, fügte dann solche über das Führen 
von Lichtern zur Nachtzeit und über die Anwendung von Nebelsignalen hinzu. Zu- 
nächst nur für Dampfschiffe berechnet, wurden diese Vorschriften später auch auf 
Segelschiffe ausgedehnt. Diese Bestimmungen, welche die meisten anderen Staaten 
adoptirt hatten, wurden in Folge eines Uebereinkommens zwischen England und 
Frankreich einer Revision unterworfen. Die hieraus hervorgegangenen Regeln über 
die Verhütung von Schiffskollisionen zur See sind gegen Ende des Jahres 1862 in 
Frankreich, Anfang des Jahres 1863 in England publizirt und in den folgenden 
Jahren auch von den übrigen Seestaaten angenommen worden, in Deutschland zuerst 
von den einzelnen Küstenstaaten, später auch von Reichswegen (kaiserl. Verordnung 
vom 23. Dez. 1871). In der jüngsten Zeit (1876 —1878) sind auf Anregung 
Frankreichs neue Vorschriften zwischen den Regierungen der seefahrenden Nationen 
vereinbart worden, und es sind dieselben für das Deutsche Reich mittels kaiserlicher 
Verordnung vom 7. Januar 1880 publizirt worden. Es wird in diesen Bestim- 
mungen den Schiffen (Dampfschiffen wie Segelschiffen) das Führen von Lichtern zur 
Nachtzeit vorgeschrieben, sowie das Geben von Signalen (mittels Dampfpfeife oder 
sonstigen Dampfsignalapparats — bei Dampfschiffen —, Nebelhorn, Glocke) bei 
Nebel, dickem Wetter oder Schneefall; ferner wird die Mäßigung der Geschwindig- 
keit bei solchem Wetter angeordnet; und endlich werden bestimmte Regeln über das 
Ausweichen der Schiffe (Steuerregeln) gegeben. Das Uebertreten dieser Anordnungen 
ist in Deutschland durch das RStrafGB. (§ 145) mit Kriminalstrafe bedroht. 
Esgb. u. Lit.: Kaiserl. Verordnung zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe 
auf See, v. 7. Jan. 1880, modif. durch die Verordnung betr. die Suspension des Art. 10 der 
cit. Verordnung v. 16. Febr. 1881. — Romberg, Das Straßenrecht auf See, Bremen 1870. 
— Lewis, Deutsches Seerecht, II. S. 88 ff. Lewis. 
Seeversicherung. Das bedeutende Risiko, unter welchem der Natur der 
Sache nach die Seeschiffahrt betrieben wird, hatte bereits im Alterthum und im 
Mittelalter zu Rechtseinrichtungen geführt, welche darauf abzielten, die durch See- 
sturm, Piraterie und sonstige Schiffsunfälle entstandenen Verluste auf mehrere Per- 
sonen, die sich an dem Ausgange des Seehandelsunternehmens direkt oder indirekt 
betheiligten, zu retribuiren und durch gemeinsames Tragen den Einzelnen weniger 
fühlbar zu machen. Wol im Anschlusse an derartige Einrichtungen entwickelte sich 
das S. wesen, und zwar zuerst nicht in der Form einer Versicherung gegen Prämie, 
sondern als Versicherung auf Gegenseitigkeit; das erste Gesetz, an welches man die 
Entstehung eines besonderen S.rechts anzureihen pflegt, ein Portugiesisches Gesetz aus 
der Zeit des Königs Ferdinand von Portugal (1367— 1383) enthält die Ge- 
nehmigung der Errichtung einer auf Gegenseitigkeit gegründeten Gesellschaft von Portu- 
giesischen Rhedern, welche sich die Entschädigung der sie treffenden Seeunfälle gegen- 
seitig zusicherten. Die ersten Spuren einer S. gegen Prämie finden sich in den 
Ordonnanzen von Barcelona (von 1435, 1436, 1458, 1461 und 1484), dem 
Haupt-Assekuranzplatze des gesammten damaligen Mittelmeerhandels. Bei den regen 
und allseitigen Beziehungen, welche von diesem Catalonischen Emporion aus unter- 
halten wurden, konnte nicht ausbleiben, daß das Barceloner S.recht, sei es auf dem 
Wege recipirender Gesetzgebung, sei es als Gewohnheitsrecht nicht blos in Italien, 
sondern auch weiterhin und namentlich in Flandern Eingang fand. In den Nieder- 
landen scheint sehr bald Brügge eine hervorragende Rolle auf dem Gebiete der S.
	        
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