Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

666 Selbsthülfeverkauf. 
„Ist der Käufer mit der Empfangnahme der Waare im Verzuge, so kann der 
Verkäufer die Waare auf Gefahr und Kosten des Käufers in einem öffentlichen 
Lagerhause oder bei einem Dritten niederlegen. Er ist auch befugt, nach vorgängiger 
Androhung die Waare öffentlich verkaufen zu lassen; er darf, wenn die Waare einen 
Börsenpreis oder einen Marktpreis hat, nach vorgängiger Androhung den Verkauf 
auch nicht öffentlich durch einen Handelsmäkler oder in Ermangelung eines solchen 
durch einen zu Versteigerungen befugten Beamten zum laufenden Preise bewirken. 
Ist die Waare dem Verderben ausgesetzt und Gefahr im Verzuge, so bedarf es der 
vorgängigen Androhung nicht.“ 
„Von der Vollziehung des Verkaufs hat der Verkäufer den Käufer, soweit es 
thundich sofort zu benachrichtigen; bei Unterlassung ist er zum Schadensersatze ver- 
pflichtet.“ 
Das Preisgeben (I.I. 12, 14 D. de per. et. comm. 18, 6; Mommsen, Mora, 
S. 308) ist beseitigt; das Niederlegen (Thöl, H.NR. 8§ 268; v. Hahn, Kommentar, 
II. 272; Keyßner zu Art. 343, Nr. 7) scheidet hier von der Erörterung aus. 
Voraussetzung für die S. ist Verzug des Käufers mit der Empfangnahme der 
Waaren; hierunter ist, ganz unabhängig von der nach den verschiedenen Landesgesetzen 
zu beurtheilenden juristischen Tradition, das thatsächliche Ansichnehmen auf die Ab- 
lieferung zu verstehen; sofern die Waare beim Verkäufer lagert, das Räumen; sofern 
die Waare zugesendet wird, und zwar, obwol nach Allg. Preuß. LR. I. 11 § 128 
die Uebergabe mit der Absendung als vollzogen gilt, die Abnahme vom Fracht- 
führer (Entsch. des ROHG. IV. 16, IX. 81, XIII. 57). Stellt der Käufer die 
abgelieferte Waare (Art. 347) zur Verfügung, so entsteht auch hier eine Annahme- 
weigerung und die Berechtigung zum S. (Erk. des Reichsgerichts vom 6. März 1880 
in Gruchot's Beiträgen XXIV. 1091). Der Verzug (s. den Art. Mora) ist nach 
Landesrecht zu prüfen, und ist die Annahmeweigerung ganz unabhängig von der 
Zahlung des Kaufpreises (Art. 354), kann sogar trotz erfolgter Zahlung vorliegen 
(Entsch. des RO-#G. IX. 81). Der Annahmeverzug hat eine Realoblation 
nicht unbedingt zur Voraussetzung (Mommsen, Mora, 133 ff.), vielmehr darf es 
als genügend bezeichnet werden, wenn der Käufer, sobald der Zeitpunkt der Lieferung 
gekommen, dem Käufer kundgiebt, daß er bereit und im Stande sei zu liefern, und 
hiergegen die Annahmeweigerung erklärt wird, oder bei bereits erklärter Annahme- 
weigerung nicht die Bereitwilligkeit zur Annahme zu erkennen gegeben wird (Lit. 
hierüber bei Keyßner, Kommentar zum HG#. zu Art. 343 Nr. 4). Hat der 
Käufer über die Waaren dem Verkäufer noch nähere Aufgaben zu machen, z. B. 
über Gestaltung, sowie Verpackung u. dgl., und lehnt er dies ab, so konstatirt 
sich hiermit der Annahmeverzug (Entsch. des ROHG. XV. 146). Die Form des S. 
ist zur Sicherung des säumigen Käufers gesetzlich bestimmt; nur ein Verkauf unter 
Innehaltung der bestimmten Formen ist ein solcher, welchen der Verkäufer dem 
säumigen Käufer gegenüber als für dessen Rechnung geschehen, geltend machen kann. Die 
Formerfüllung hat der Verkäufer zu beweisen; die Verabsäumung derselben kann nicht mit 
dem Nachweis der negotiorum gestio ((. diesen Art.) entschuldigt werden (Entsch. 
des ROG. VIII. 104, 377; XIX. 92; des Reichsgerichts I. 358); dagegen ist nicht 
ausgeschlossen die durch Umstände erforderte andere Verkaufsausführung (Entsch, des 
RO. XII. 58, 177; XII. 59; XVI. 326). Durch Handelsgebrauch (Art. 1 des 
HG.) kann die Verkaufsform nicht abgeändert werden, auch kommen erleichternde 
Bestimmungen des Landesrechts gegen das Reichsrecht nicht in Betracht; dagegen 
ist es den Parteien unbenommen, den Verkauf anderweit zu regeln (Keyßner, 
Kommentar zu Art. 343. Nr. 9; Deutsche Jur. Zeitung 1879, 810). Durch den 
Annahmeverzug ist nur die Zeit bestimmt, von welcher ab der S. zuständig ist; 
behält der Verkäufer die Waare auf Lager, so kann er sich nachträglich zum S. ent- 
schließen, doch darf hierbei nicht eine Benachtheiligung des Käufers zu Tage treten; 
wobei jedoch zu beachten, daß aus dem Verzuge in der Zahlung des Kaufpreises
	        
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