Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Sicherheitsleistung. 679 
die Art und das Maß der vermuthlich verwirkten Strafe zu erwägen, andererseits die 
Verhältnisse der S., welche, wenn Ausländer oder Personen, die sich nicht ausweisen 
können, wegen bloßer Uebertretung verhaftet sind, schon allein die Fluchtgefahr 
aufwiegen kann, deren Werth auch die Leistung durch nahe Verwandte oder 
durch angesehene und ehrenhafte andere Personen verstärken kann, ferner die Un- 
bescholtenheit, die persönliche Vertrauenswürdigkeit des Inhaftirten, welche auch durch 
Selbstanzeige des vorgeworfenen Vergehens erhöht sein kann, seine Ansässigkeit, seine 
Vermögens--, seine Familienverhältnisse, die nicht Jeder ohne Weiteres im Stich läßt. 
Ist hiernach für die Zulassung der S. zu entscheiden, so können dieselben Verhält- 
nisse auch für die Bestimmung ihres Betrages maßgebend sein, der für den In- 
haftirten und seine Interzedenten nicht in unerschwinglicher Höhe oder zu ihrem 
Vermögensruin, sondern in billiger Berücksichtigung ihres Vermögensstandes fest- 
zusetzen ist. Die Form der S. kann in Hinterlegung von Geld oder Werthpapieren, 
ausländischen wie inländischen, in Pfandbestellung oder in Bürgschaft bestehen. Auch 
über sie entscheidet das richterliche Ermessen, welches hier gleichfalls zu bedenken hat, daß 
Vertrauenswürdigkeit des Inhaftirten ihn zuverlässige Bürgen finden lassen kann, 
dagegen nicht Jeder baares Geld oder Werthpapiere besitzt oder aufzubringen vermag. 
S. theilweise durch Hinterlegung von Werthen, theilweise durch Bürgschaft ist zwar 
mit dem Gesetze verträglich, kann aber die Verhältnisse erschweren, und ist darum 
möglichst zu vermeiden. Bei einer Mehrheit von Bürgen ist Solidarhaft nicht vor- 
geschrieben, Theilhaftung daher zulässig. Die Einrede der Vorausklage ist, weil der 
Inhaftirte nicht für eine Vermögensschuld haftet, nicht begründet. Im Fall der 
Zulassung zur S. übernimmt der Inhaftirte die Pflicht, sich der Untersuchung und 
dem Antritt der erkannten Freiheitsstrafe nicht zu entziehen bzw. als Ausländer 
auch dem sonstigen Inhalt des Urtheils Folge zu leisten, ferner auf an ihn ergangene 
Ladung zu erscheinen, weshalb im Auslande wohnhafte Inhaftirte auch eine im 
Gerichtsbezirk wohnhafte Person für Zustellungen bevollmächtigen müssen. Die S. 
ist demnach cautio judicio sisti und judicatum solvi. Die S. hat keine bedingungs- 
lose Freilassung zur Folge. Wiederverhaftung hat einzutreten, wenn der Entlassene 
Anstalten zur Flucht trifft, auf an ihn ergangene Ladung ohne genügende Entschul- 
digung ausbleibt oder neu hervorgetretene Umstände, z. B. Kollusionen, neue Ver- 
dachtsgründe, neue ermittelte schwerere Vergehen sie fordern, nicht aber wegen theil- 
weiser Entwerthung der S., es sei denn, daß letztere alleiniger Grund der Freilassung 
gewesen wäre oder die Entwerthung eine erhebliche ist und durch sie bei den vor- 
handenen Umständen die Fluchtgefahr wieder erheblich erhöht wird. Die Sicherheit 
wird, was auch durch eine förmliche Entscheidung festgestellt werden kann, ipso jure 
frei, wenn der Entlassene bei demselben Gerichte in derselben oder in anderer Sache, 
wie mit v. Holtzendorff anzunehmen ist, zur Haft gebracht, oder der Haftbefehl 
unmittelbar oder mittelbar durch Einstellung des Verfahrens, Freisprechung und 
bzw. durch Erkennung anderer als Freiheitsstrafen aufgehoben ist, oder die erkannte 
Freiheitsstrafe angetreten wird, also der Beschuldigte sich der vollstreckenden Behörde 
gestellt hat, oder wenn er während des Verfahrens stirbt. Auf Freigebung der S. 
ist zu erkennen, wenn der Beschuldigte sich Zwecks Befreiung derselben zur Wieder- 
verhaftung gestellt hat, oder von seinen Interzedenten, denen dazu, so lange der 
Verfall der Sicherheit noch nicht erkannt ist, eine Frist vorgeschrieben werden kann, 
gestellt wird, oder wenn diese von Thatsachen, welche den Beschuldigten der Flucht- 
absicht verdächtig machen, dem Gericht oder bei Gefahr im Verzuge einer zur vor- 
läufigen Festnahme berechtigten Behörde so zeitig Anzeige beschaffen, daß die 
Verhaftung bewirkt werden kann, worüber, wie Löwe bemerkt, der Strafrichter 
entscheidet. Die Sicherheit verfällt der Gerichtskasse, wenn der Beschuldigte sich der 
Untersuchung oder dem Antritt der erkannten Freiheitsstrafe durch Flucht oder 
Verborgenhalten oder sonstwie entzieht, also nicht schon, wenn er blos auf eine 
Ladung ausgeblieben ist. Der Verfall tritt, weil den Interzedenten eine Gestellungs-
	        
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