62 Plenum.
S. 246; XIX. S. 140; XXII. S. 333, 194;
XXIII. S. 120. — Entsch. des ROHG. VI.
S. 102, 107, 287, 807; VII. 309; X. S. 34).
v. Kräwel.
Plenum — (Plenarbeschluß). Das P. eines Gerichts umfaßt sämmtliche
zu demselben gehörende Richter, einschließlich der Hülfsrichter. Ueber die Organi-
sation des P. sagt das GVG. nur, daß der Präsident (bei den Landgerichten) resp.
der erste Präsident (bei den Oberlandesgerichten und dem Reichsgerichte) den Vorsitz
in demselben führt (GVG. §§ 61, 121, 133). Was dagegen das P. des Land-
gerichts resp. des Oberlandesgerichts zu thun hat, darüber sagt das G. nichts;
jedenfalls dienen die Plenarberathungen dieser Gerichtshöfe niemals dazu, um irgend
eine die Rechtsprechung betreffende Frage zu erledigen. Die Landesgesetzgebung hat
darüber Bestimmungen zu treffen, inwieweit Angelegenheiten der Justizverwaltung
oder Disciplinarangelegenheiten durch Beschlüsse des P. zu erledigen sind. Dagegen
sind dem P. des Reichsgerichts durch das G. bestimmte Funktionen übertragen
worden, die aber auch mit der Rechtsprechung nichts zu thun haben. Vielmehr
beschränken sich die Plenarbeschlüsse auf folgende Fälle:
1) Wenn ein Mitglied des Reichsgerichts zu einer Strafe wegen einer entehren-
den Handlung oder zu einer Freiheitsstrafe von länger als einjähriger Dauer rechts-
kräftig verurtheilt ist, so kann dasselbe durch Plenarbeschluß seines Amts und
Gehalts für verlustig erklärt werden (GG. § 128).
2) Wenn gegen ein Mitglied des Reichsgerichts wegen eines Verbrechens oder
Vergehens das Hauptverfahren eröffnet ist, so kann die vorläufige Enthebung des-
selben von seinem Amte durch Plenarbeschluß erfolgen (GG. § 129).
3) Wenn die Voraussetzungen für die Versetzung eines Mitgliedes des Reichs-
gerichts in den Ruhestand vorliegen und dieselbe nicht beantragt wird, auch einer
diesfallsigen seitens des Präsidenten ergangenen Aufforderung an das betreffende Mit-
glied, die Versetzung in den Ruhestand zu beantragen, nicht Folge geleistet wird, so
ist die Versetzung in den Ruhestand durch Plenarbeschluß des Reichsgerichts aus-
zusprechen (GVG. § 131).
Bezüglich des Verfahrens ist für die Fälle 1) und 3) vorgeschrieben, daß außer
dem Oberreichsanwalt, auch noch das Mitglied vor der Beschlußfassung zu hören ist.
In dem Falle unter 2) genügt es dagegen, wenn nur der Oberreichsanwalt gehört
wird. An der Beschlußfassung bei Plenarentscheidungen müssen sich mindestens zwei
Drittheile aller Mitglieder mit Einschluß des Vorsitzenden betheiligen; jedoch muß
die Anzahl eine ungerade sein. Wäre die zur Beschlußfassung bereite Zahl von
Mitgliedern eine gerade, so hat derjenige Rath, welcher zuletzt ernannt ist, und bei
gleichem Dienstalter derjenige, welcher der Geburt nach der jüngere ist, oder, wenn
dieser Berichterstatter ist, der nächst ältere kein Stimmrecht (GVG. § 139).
Von diesen Entscheidungen des P. sind vollkommen verschieden diejenigen Ent-
scheidungen, welche bei dem Reichsgerichte von „vereinigten Senaten getroffen
worden. Die „vereinigten Senate“ sind ein Organ der Rechtsprechung, welches in
folgenden Fällen in Thätigkeit tritt:
1) In den Strafsachen, welche zur Zuständigkeit des Reichsgerichts in letzter
Instanz gehören, entscheidet der vereinigte zweite und dritte Straffenat als erkennen-
des Gericht (CVG. § 138 Abs. 2).
2) Wenn ein Civilfenat in einer Rechtsfrage von einer früheren Entscheidung
eines anderen Civilsenats oder der vereinigten Civilsenate abweichen will, so hat
derselbe die Verhandlung und Entscheidung der Sache vor die vereinigten Civilfenate
zu verweisen (GVG. § 137 Abs. 1).
3) Wenn ein Strassenat in einer Rechtsfrage von einer früheren Entscheidung
eines anderen Strafsenates oder der vereinigten Straffenate abweichen will, so ver-
weist er die Verhandlung und Entscheidung der Sache vor die vereinigten Straf-
senate (G. § 138 Abs. 2).