Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

716 Speditionsgeschaͤst. 
HGB. dem Spediteur neben dem gewöhnlichen kaufmännnischen Retentionsrecht 
(wenn dessen Voraussetzungen vorliegen) ein wahres gesetzliches Pfandrecht an 
dem Gute, sofern er letzteres noch in seinem Gewahrsam hat oder in der Lage ist, 
darüber zu verfügen. Dasselbe besteht mit voller Wirkung auch im Konkurse und 
überhaupt gegenüber anderen Gläubigern des Schuldners. Bei Verzug des Kom- 
mittenten kann sich der Spediteur selbst aus dem Pfande bezahlt machen. Das 
Verfahren richtet sich nach den Vorschriften, welche für das schriftlich bestellte kauf- 
männische Faustpfand gelten. Das Pfandrecht wegen der durch Versendung oder 
Transport entstandenen Forderungen geht allen übrigen gesetzlichen Pfandrechten, 
auch dem wegen Vorschußforderungen des Spediteurs vor, und zwar hat das jüngere 
den Vorzug vor dem älteren (salvam fecit totius pignoris causam"). Aufs die 
Wissenschaft des Vorgehenden von dem älteren Pfandrechte kommt es bei dieser 
Rangordnung nicht an, während im Uebrigen der Grundsatz „Hand wahre Hand“ 
gegenüber dem Eigenthümer, wie älteren Pfandgläubigern durchgeführt ist (auch 
nach Franz. und Engl. Recht). Wegen anderer Forderungen des Spediteurs kann 
ein kaufmännisches Retentionsrecht begründet sein. Inwiefern dieses auch 
gegenüber der Rückforderungsklage des Kommittenten (actio mandati) oder dem auch 
in die K O. des Deutschen Reichs aufggenommenen Verfolgungsrecht des unbezahlten 
Absenders (stoppage in transitu, droit de suite) wirksam werden kann, ist streitig. Nach 
der herrschenden Ansicht (Oberappellationsgericht Lübeck, Voigt, Englische Praxis 2c.) 
steht dasselbe weder dem einen, noch dem anderen entgegen. Ebenso das ROHG. bezüglich 
des Verfolgungsrechts. Der actio mandati gegenüber erklärt derselbe Gerichtshof mit Recht 
das Retentionsrecht des Spediteurs für durchgreifend. Ebenso Grünhut, Franck u. A. 
Goldschmidt, aus der Natur des Retentionsrechts als „eines wahren, wenngleich in 
der Rechtsverfolgung beschränkten Pfandrechts“ argumentirend, unterscheidet, ob das 
Eigenthum bereits auf den Destinatär übergegangen ist, und läßt das 
Retentionsrecht in diesem Falle durchgreifen (ähnlich auch v. Hahn, Wolff u. A.); 
jedoch erfordert er dem unbezahlten Absender gegenüber noch guten Glauben des 
Spediteurs. Hinsichtlich des Verfolgungsrechts lassen sich wol allgemeine Grundsätze 
nicht aufstellen; es kommt stets auf dessen (in den Gesetzen sehr verschieden bestimmte) 
juristische Natur an. In der Deutschen K O. hat man absichtlich die Rechtsverhält- 
nisse Dritter in Bezug auf die dem Aussonderungsanspruch des § 86 unterliegenden 
Waaren unberührt gelassen. Wie gegenüber dem Gemeinschuldner, so findet das Ver- 
folgungsrecht auch gegen Pfandgläubiger und Andere statt, welche ihre Ansprüche auf das 
Eigenthum des Ersteren gründen. — Den Erwerb dinglicher Rechte, welche nicht 
sowol der Ausführung als der Revokation oder Aenderung des Mandats zuwiderlaufen, 
zu unterlassen, ist der Spediteur nicht verpflichtet. Der Nachweis eines solchen kann 
denselben daher von der Kontraktsklage seines Kommittenten befreien, wenn 
der Erwerb nicht mala fide zur Vereitelung der Contreordre gemacht ist. — Wann 
im Falle der Versendung durch Spediteure die Uebergabe an den Empfänger als 
vollzogen gelte, ist im HGB. nicht bestimmt worden. Nach Preuß. Recht (ähnlich 
auch das Oesterr. und Sächs. BGB.) ist der Zeitpunkt der Uebergabe an den 
Spediteur entscheidend, wenn die Uebermachung entweder nach der Anweisung 
des Käufers geschehen, oder von diesem die Art derselben dem Gutbefinden des Ver- 
käufers ausdrücklich oder stillschweigend überlassen worden ist. Nach Gem. Recht ist 
daran festzuhalten, daß der Auftrag zur Besforgung des Transports noch nicht den 
Auftrag in sich schließt, für den Adressaten Besitz zu ergreifen. Die Zwischenperson 
für den Transport als solche ist nicht Vertreter, weder des Versenders für die 
Besitzübertragung, noch des Adressaten für den Besitzerwerb. Hierin ändert es auch 
nichts, wenn die Zwischenperson vom Adressaten auftgegeben oder bezeichnet oder 
vom Versender angewiesen ist, die Waare auf Rechnung und Gefahr des Absenders 
zu befördern oder zu dessen Verfügung zu halten oder zu stellen, oder dem Adressaten 
angezeigt hat, daß sie die Waare zu dessen Verfügung halte. Bezüglich des Ueber-
	        
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