Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Staatsanleihen. 731 
welche nach näherer Maßgabe der Bestimmungen jenes Gesetzes zum Theil in Eng- 
lischer Währung ausgegeben worden ist. 
Die Anleihen sind in der Regel verzinslich. Unverzinslich find nur gewisse 
sog. schwebende Schulden und solche Anleihen, welche in der Form des Staatspapier- 
geldes ausgenommen sind. Für die Höhe des Nominalzinsfußes sind der jeweilige 
Geldmarkt, die Dringlichkeit des Bedürfnisses und der Kredit des darleihenden Staates 
maßgebend. Das Verhältniß des Nominalzinsfußes zu dem landesüblichen Zins- 
fuß bedingt den Kurs der Anleihen, d. h. den Preis, welchen der Kapitalist für die 
Anleihe zahlt (al pari, über pari, unter pari). Für kreditarme Staaten empfehlen 
sich hochverzinsliche Anleihen, weil diese die Möglichkeit geben, bei eintretender 
Besserung der Verhältnisse den Zinsfuß zu reduziren, was jedoch die Kündbarkeit 
der Anleihen voraussetzt. 
Die Kündbarkeit der Anleihen — früher die Regel — wird neuerdings für 
den Gläubiger durchweg ausgeschlossen und für den Staat nur in beschränkter Weise 
zugelassen. Ausgeschlossen wird dieselbe regelmäßig auch für den Staat, wenn die 
Anleihe in der Form einer Rente kontrahirt wird. Umgekehrt stellt die Unkündbar- 
keit eine Kapitalanleiheschuld einer Rentenschuld gleich. Die Unkündbarkeit schützt 
den Gläubiger einerseits vor einer Herabsetzung des Zinsfußes, andererseits vor Zins- 
verlusten bei ausgeloosten Papieren, sowie vor einer unzeitigen Rückzahlung des 
Kapitals und der Mühe anderweiter Anlegung, während die Möglichkeit der Wieder- 
einziehung des Kapitals durch die erleichterte Uebertragbarkeit der Schuldtitel (In- 
haberpapiere) vermittelt wird. Die Kündigung, wo sie stattfindet, ist eine theilweise 
(durch Ausloosung) oder eine vollständige. 
Eine Umwandlung des Zinsfußes einer S. bezeichnet die sog. Konversion. 
In der Regel handelt es sich dabei um eine Herabsetzung des Zinsfußes (England 
1823, Frankreich 1852, Preußen 1862). Eine Konversion kann aber auch zum 
Zweck der Umwandlung niedrig verzinslicher in hoch verzinsliche stattfinden. Letztere 
Maßregel kommt namentlich bei einer Unifizirung (Konsolidation) verschiedener S. 
vor. Selbstverständlich hat in diesem Falle eine Ausgleichung der Kapitalbeträge 
unter Zuzahlung oder Schaffung neuer Schuldtitel zu erfolgen. Ein Beispiel bietet 
das Preuß. Konsolidationsgesetz vom 19. Dezbr. 1869, durch welches unter Anderm 
einige ältere 4 % Anleihen in der Art zur Einlösung gelangten, daß für je 900 Thlr. 
Nominal der älteren Anleihen 800 Thaler der neuen 4½ % konsolidirten Anleihe 
gegeben würden. · 
Früher galt die Festsetzung bestimmter Modalitäten für die Tilgung der 
Anleihen als Prinzip. Neuerdings erkennt man, namentlich wo die Anleihe in der 
Form der Rentenschuld erfolgt, eine Pflicht des Staates nach einem bestimmten 
Plan die Tilgung der Anleihe zu bewirken, nicht an. Eine solche Pflicht ist auch 
auszuschließen, wenn der Staat genöthigt ist, die Tilgungsmittel und seinen sonstigen 
Bedarf durch neue Anleihen unter größeren Opfern zu beschaffen. Als regelmäßige 
Tilgungsart verbleibt dann der Rückkauf der Schuldtitel an der Börse nach dem 
Kurs und nach Maßgabe der vorhandenen etatsmäßigen Mittel. Durch die Beseitigung 
der planmäßigen Tilgung einzelner Anleihen wird die Verwaltung vereinfacht und 
der Verkehr mit den Papieren erleichtert. Die Beibehaltung einer regelmäßigen 
Tilgung empfiehlt sich jedoch in allen denjenigen Beziehungen, in denen der Staat 
als Privatunternehmer erscheint, z. B. als Bergwerks= oder Hütteneigner, Fabrikant 
oder auch bei Unternehmungen gemischten Charakters, wie den Eisenbahnen. Im 
Uebrigen geschieht die Tilgung nach vorgängiger Kündigung, welcher bei theilweiser 
Tilgung die Ausloosfung vorhergeht, durch Rückzahlung al pari. 
(Staatsrechtliches.) Die große Bedeutung eines geordneten Staatskredit- 
wesens für die Existenz des Staates und die Wohlfahrt des Volkes hat veranlaßt, daß die 
neueren Verfassungsgesetze durchweg die Aufnahme von S. an die Genehmigung der 
Volksvertretung knüpfen und die Verwaltung der Anleihen unter Kontrole stellen.
	        
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