Staatsanwaltschaft. 741
ziehung der S. in den Civ. Prz. In einer Reihe genau bezeichneter Rechtssachen
ist die S. partie principale, um das mit den Parteianträgen möglicherweise kolli-
dirende Interesse des Staats zu vertreten, in welchen Fällen sie gehört werden muß.
So in Vormundschafts= und Civilstandssachen, Ehescheidungen (Code civ. art. 83, 371,
385, 394, 856, 858—860, 862, 863, 911, 914, 930). In allen anderen Streit-
fällen kann die S., insofern ihre Mitwirkung nicht positiv (wie im Friedensgericht,
Handelsgericht und Schiedsgericht) ausgeschlossen ist, als Nebenpartei (partie jointe)
ihre Anträge nach dem Schlusse der von den Prozeßgegnern gehaltenen Parteivorträge
stellen. Sie hat das Recht, die Nichtigkeitsbeschwerde (dans l’'intérét de la loi) ein-
zulegen. Von diesen Normen des Französischen Rechts kann, wo dasselbe noch auf
Deutschem Gebiete gilt, soviel landesrechtlich fortbestehen, als außerhalb der RO.
und ihrer Vorschriften gelegen ist (Vormundschaftswesen u. s. w.). Auch kann die
S. landesrechtlich für die Interessen der freiwilligen Gerichtsbarkeit verwendbar
erklärt werden. Nach der in Deutschland vorwiegenden Anschauung ist die S. als
partie jointe im Civ. Prz. durchaus entbehrlich. Die RePO. beruft die S. zur
Vertretung öffentlicher Interessen nur in Ehe= und Entmündigungsfsachen
(s. diesen Art.). In der Literatur hatten sich Feuerbach, Mittermaier,
Frey, Planck gegen, Berninger für die Zuziehung der S. zur Mitwirkung in
Civilsachen erklärt (s. auch. Verh. des dritten Deutschen Juristentags, S. 28). Auch
der Oesterr. Civilprozeßentwurf von 1876 hat darauf verzichtet, die S. allgemein
am Civilprozeßverfahren zu betheiligen.
2) Administrative Funktionen der S. als Organ der Justiz-
aufsicht. In England ist der kontinentale Begriff der Justizaufsicht nicht ver-
wirklicht worden. Ein besonderes Justizministerium fehlt; die Stellung der Anklage-
behörde ist den Gerichten gegenüber durchaus nicht verschieden von derjenigen einer
Prozeßpartei. Innerhalb der kontinentalen Scheidung von Justiz und Verwaltung
wies man aber, an die alte Ueberlieferung der Gerichtsherrlichkeit anknüpfend
(Kermann) oder den Begriff der Gerichtsbarkeit und Rechtsprechung auf das
sententiam ferre oder die jurisdictio im engeren Sinne beschränkend, der S. die
Stellung einer Justizverwaltungsbehörde zu, der der Justizminister einen Theil seiner
Aufsichtsberechtigung über den Geschäftsbetrieb der Gerichte delegiren konnte. Nach
Franz. R. vermittelt die S. den Verkehr des Justizministeriums mit den Gerichten
und denjenigen der Gerichte untereinander, ist zu regelmäßiger Berichterstattung über
den Gang der Rechtspflege verpflichtet, übt die Aufsicht über die Anwälte und
Subalternbeamten, leitet die Strafvollstreckung. Die Hannover'sche Stras# O.
hatte sich diesem Muster am meisten genähert. Da der Grundsatz der richterlichen
Unabhängigkeit durch die Kombination der Justizaufsichtsgeschäfte mit der persön-
lichen Antheilnahme an den Strafprozeßgeschäften nicht nur gefährdet werden kann,
sondern erfahrungsgemäß auf dem Gebiet des Französischen Rechts beeinträchtigt
worden ist, hat das Deutsche G. die S. ausdrücklich von der Beaufsichtigung
der Gerichte ausgeschlossen (§ 152); damit ist gesagt, daß außerhalb des gerichtlichen
Instanzenzuges die S. kein Recht hat, Entscheidungen der Gerichte oder Ab-
stimmungen einzelner Richter zum Gegenstand einer Verwaltungsbeschwerde zu machen,
oder das amtswidrige Verhalten der Richter außerhalb ihrer Amtsfunktionen zum
Gegenstande einer Rüge zu machen. Wo die S. in Disziplinarfällen gegen richter-
liche Beamte als Anklägerin mitzuwirken hat, ergiebt sich im Uebrigen die Unmög-
lichkeit, eine Einwirkung der S. auf das dienstliche Verhalten der Richter völlig
abzuschneiden. Wie weit die verwaltende Thätigkeit der S. reicht, ist in der Haupt-
sache nach den Bestimmungen der Landesrechte zu bemessen, und kann von Tag zu Tag
in Gemäßheit des Verordnungsrechts der Landesherren oder Centralstellen in veränder-
lichem Umfange vorgeschrieben werden. Von Reichswegen ist die S. im Interesse
der Strafrechtspflege verwaltungsrechtlich berufen, die Beamten des Polizei=
und Sicherheitsdienstes zu leiten (§ 153. des GVG.), wobei den Landesregie-