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rungen vorbehalten ist, diejenigen Beamtenklassen näher zu bezeichnen, welche als
Hülfsbeamte der S. anzusehen sind. In Preußen besteht nicht einmal Ueberein-
stimmung für die Bezeichnungsweise innerhalb der einzelnen Provinzen. Die Ver-
schiedenheit der kommunalen und provinzialen Verfassungen kommt dabei zur Geltung.
Da die S. reichsrechtlich als Verwaltungsbehörde erscheint, so partizipirt sie auch
ihrerseits an den Konsequenzen des Grundsatzes, wonach der Richter sich in Ver-
waltungsgeschäfte nicht einmischen darf. Auf der anderen Seite dürfen die Beamten
der S. keine richterlichen Geschäfte wahrnehmen.
3) Strafprozessualische Funktionen in Gemäßbeit der Bestimmungen
der RStraft O. Unzweifelhaft sind eben diese unter allen Verrichtungen der S.,
nicht blos in Deutschland, sondern selbst in Frankreich als die wichtigsten anzusehen.
Die S. ist eine an der Strafrechtspflege wesentlich betheiligte, den
Gerichten koordinirte Strafprozeßbehörde. Wenn es ein Ungehorsams-
oder Abwesenheitsverfahren gegen Angeklagte giebt, so giebt es auf der anderen
Seite kein Verfahren ohne Ankläger, dessen Mitwirkung in allen Stadien des Rechts-
gangs, dessen persönliche Gegenwart in der Hauptverhandlung, dessen Meinungs-
äußerung vor allen prozeßleitenden Verfügungen des Richters unerläßlich ist. Die
Richtungen, in denen sich diese prozessualische Wirksamkeit der S. bewegt, sind vor-
nehmlich folgende: a. Vorermittelung von Strafthaten durch Erkundigung und
Nachforschung, theils in selbständiger Weise unter Benutzung ihres polizeilichen Hülfs-
beamtenthums, theils unter nothwendiger Mitwirkung des Richters zu solchen Akten,
in denen die persönliche Freiheit oder wichtige Rechte des Staatsbürgers berührt
erscheinen (Verhaftung, Beschlagnahme von Briefen u. s. w.), theils, wo Gefahr im
Verzug obwaltet, unter Vorbehalt richterlicher Prüfung und Bestätigung (sog. Vor-
verfahren, Ermittelungsverfahren, Skrutinialverfahren). b. Das
Recht, Voruntersuchungen bei dem kompetenten Gerichte zu beantragen, zu
betreiben, von deren Gange jederzeit Kenntniß zu nehmen, so daß in diesem Stadium
die Bevorrechtung der S. als Behörde gegenüber dem Angeschuldigten und seiner
möglicherweise eintretenden Vertheidigung im Franz. und Deutschen Recht überall
festgestellt ist. c. Das Recht der Anklageerhebung nach ahgeschlossener
Voruntersuchung auf Grund selbständiger Prüfung, Vertretung und Durchführung
der öffentlichen Klage in den verschiedenen Stadien der Vorprüfung, der Hauptverhand-
lung, der Rechtsmittelinstanzen. d. Die Leitung der Strafvollstreckung oder
die Mitwirkung an derselben, wo die Gefängnisse unter der Aufsicht anderer Behörden
stehen.
Die wichtigsten Prozeßrechtsfragen beziehen sich innerhalb dieses Wirkungs-
kreises auf die Prinzipien, in Gemäßheit welcher die Anklagethätigkeit der S. nach
erhobener Anklage und die prozessualische Stellung der S. gegenüber dem Richter
und dem Angeklagten zu ordnen ist.
4) Anklagethätigkeit und Anklagerecht der S. Die Strafverfolgung
ist keine Sache der bloßen Willkür für die S. (s. d. Art. Opportunitäts-
prinzip), alle Anzeigen hat die S. selbständig zu prüfen, ob die gesetzlichen und
thatsächlichen Vorbedingungen eines Einschreitens soweit gegeben sind, daß eine Ver-
urtheilung im einzelnen Falle wahrscheinlich erreichbar ist. Fraglich ist aber vom
gesetzpolitischen Standpunkt von jeher gewesen: Soll die S. allein berechtigt sein,
zu entscheiden: ob eine anscheinend vorliegende Strafthat verfolgt werden oder un-
bestraft bleiben soll? Nach dem akkusatorischen Prinzip ist die Strafverfolgung
Parteisache entweder im Interesse des Beschädigten oder der staatsbürgerlichen
Vertretung der öffentlichen Ordnung im Wege der actio popularis; nach dem
inquisitorischen Prinzip Rechtssache im Sinne der Verpflichtung des Richters
zum Einschreiten von Amtswegen; nach Franz. Recht Verwaltungssache inner-
halb des strafprozessualischen Formalismus, woraus folgt, daß pflichtwidrige Unter-
lassung der Anklageerhebung regelmäßig in rechtlichen Formen nicht korrigirt werden